Die letzte Folge dieser Staffel von Der ganz formale Wahnsinn widmet sich einem grundlegenden Problem der Organisationsberatung: Es gibt keine Standards.
Jede und jeder kann sich Berater:in nennen. Es gibt keine geschützte Ausbildung, keine zentrale Instanz, die über Qualität wacht – und damit auch keine klaren Kriterien, was professionelles Handeln ausmacht. Stefan Kühl spricht mit Andreas Hermwille über die Folgen dieser fehlenden Professionalisierung: über Scharlatanerie-Vorwürfe, Coaching mit Ziegen, graue-Haare-Faktoren und den schwierigen Umgang mit Unsicherheit – auf beiden Seiten: bei Beratenden und bei Auftraggebenden.
Was wäre die Alternative? Braucht es Verbände, verbindliche Standards, ein „agiles Manifest“ für Organisationsberatung? Oder ist gerade die Offenheit eine Stärke?
Ein Gespräch über Verantwortung, Reputation und die Suche nach Orientierung in einem Berufsfeld ohne festen Rahmen.
Kann man einen Veränderungsprozess sinnvoll begleiten, ohne zu verstehen, worum es im Detail geht?
Viele Prozessberater:innen glauben: ja – schließlich gehe es vor allem um die sozialen Dynamiken. Doch genau darin liegt ein professioneller Fehler.
In dieser Folge von Der ganz formale Wahnsinn sprechen Stefan Kühl und Andreas Hermwille darüber, warum Veränderungsbegleitung nicht ohne inhaltliches Verständnis funktioniert. Warum echte Wirkung nur möglich ist, wenn man in kürzester Zeit so tief in die Materie eintaucht, wie die Beteiligten selbst. Und warum es für professionelle Beratung entscheidend ist, auch das scheinbar Technische, Juristische oder Fachliche verstehen zu wollen – statt sich auf Moderation und Rollenverständnis zurückzuziehen.
Die zentrale These: Change Manager müssen Expertenberater sein, um wirksam werden zu können. Eine Detailverliebtheit ist Voraussetzung, um Ansatzpunkte in Organisationen identifizieren zu können.
Wenn Veränderungsprozesse in Organisationen scheitern, liegt es oft nicht daran, dass zu wenig Rücksicht auf die Auftraggebenden genommen wurde – sondern eher daran, dass ihre Zufriedenheit zum Maßstab gemacht wurde. In dieser Folge diskutieren Stefan Kühl und Andreas Hermwille die Frage: Was ist eigentlich ein „erfolgreich“ durchgeführter Veränderungsprozess?
Sie stellen infrage, ob Kundenzufriedenheit – sei es im Seminar, im Projekt oder bei der Organisationsberatung – ein valides Qualitätskriterium ist. Wie bei Ärzt:innen, Jurist:innen oder Theolog:innen kann auch in der Organisationsentwicklung der Erfolg nicht garantiert werden. Die Prozesse sind unsicher, die Ergebnisse offen – und die Qualität zeigt sich oft erst Jahre später.
Kühl argumentiert, dass es in diesen „unsicherheitsbelasteten“ Tätigkeiten andere Kriterien braucht: professionelle Standards, kollegiales Feedback – und manchmal schlicht die Wiederbeauftragung durch die Auftraggebenden nach einiger Zeit. Wer sofortige Begeisterung erwartet, missversteht die Natur von tiefgreifender Veränderung.
"Man muss langsam enttäuschen können", ist die wichtigste Botschaft aus dieser Folge.
Andreas Hermwille und Stefan Kühl sprechen über das Problem dass Berater haben, wenn sie bei der Ursachenforschung zu erfolgreich sind. Üblicherweise beginnen Veränderungsprozesse damit, dass sich die Beraterinnen und Berater ein Bild der Lage machen. Dieses wird anschließend mit den Auftraggebern geteilt um gemeinsam festzulegen, wie man von diesem Startpunkt das gewünschte Ziel erreicht.
Hier ist Stefan Kühls Rat: Man darf einer Organisation, bzw. den Auftraggebern in so einer Situation nicht das gesamte Lagebild auf einmal zumuten. Wer Teil der Organisation ist, erträgt meistens nicht ihre Fremdbeschreibung.
Darum ist es wichtig als Change Manager genau zu überlegen: Welches Problem gebe ich wann in die Diskussion? Was ist wichtig um den Diskurs in Bewegung zu bringen, was wäre überfordernd und hemmt den Diskurs?
Veränderungsprozesse greifen - wenn sie gut aufgesetzt sind - tief in die Strukturen einer Organisation ein. Das kann nicht allen gefallen.
Also ist es ein eindeutiges Zeichen; Wenn alle alles gut finden, läuft im Veränderungsprozess etwas grundlegend schief.
Das heißt: Change Manager:innen müssen Prozesse an Schmerzpunkte der Organisation führen – auf die Gefahr hin nicht mehr ertragen zu werden.
"Man darf sich mit keiner Sache gemein machen, auch nicht einer guten", ist ein bekanntes Prinzip im Journalismus, das auch für Organisationsveränderungen gilt - findet Stefan Kühl.
Als Change-Managerinnen und Manager ist es unsere Aufgabe, auf die Management-Tools pragmatisch zu schauen und ihren jeweiligen Nutzen genau abzuwägen. Sie sind am Ende wie Moden: Manches kann man einfach vorüber ziehen lassen.
00:00 Einführung in Managementkonzepte
02:51 Die Natur von Managementmoden
05:32 Die Definition von Managementkonzepten
08:17 Die Wirkung von gehypten Management-Konzepten
11:27 Der Einfluss von Erlösungsvorstellungen
14:34 Pragmatischer Umgang mit Managementmoden
19:22 Management-Konzepte im Wandel
24:55 Pragmatischer Umgang mit Management-Moden
31:31 Systemtheorie und ihre Moden
35:20 Zukunft der Organisationsforschung
"Tu Gutes und sprich drüber" ist ein bekanntes Sprichwort für die Arbeitswelt: In Organisationen passiert so viel, dass oft niemand bemerkt, wenn man gute Arbeit macht. Es sei denn, man macht die Menschen selbst darauf aufmerksam.
Das gilt auch für Change-Prozesse. Die Verantwortlichen brauchen vorzeigbare Erfolge im laufenden Prozess, als Legitimation für ihre Arbeit.
Aber wie zeigt man Gelingen, zum Beispiel auf dem richtigen Weg zu sein, wenn gleichzeitig so wichtig ist, sich das Ziel möglichst offen zu halten?
Jedes Change-Vorhaben beginnt mit einem Auftrag. Egal ob das Anliegen inhouse geklärt wird oder Consultants von außen dazu stoßen, an einer Stelle wird ein Auftraggeber sagen:
Jedoch sind Auftraggeber meistens gar nicht vollständig im Bilde über die Ausgangssituation. Sie haben nur ihre Perspektive, von der sie aus berichten können. Oder sie haben nur einen diffusen Wunsch, was anders sein soll - aber können nicht dingfest machen, wieso es nicht bereits anders ist.
Der Effekt ist: Häufig klärt sich erst im laufenden Veränderungsprozess, was Thema des Verändungsprozesses sein wird.
Workshops sind für Veränderungsprozesse unverzichtbar.
Hier entsteht die Dynamik, die einen Diskurs und damit den ganzen Prozess ins Laufen bringt. Aber in den zeitlichen Zwischenräumen passieren ebenso unverzichtbare Prozesse:
Daraus folgt, dass nicht nur der Workshop selbst, sondern auch die Kette der Workshops, insbesondere die Intervalle an Pausen, mit Bedacht geplant werden müssen.
Der übliche Modus des Change Managements geht über die Projektgruppe: Man zieht Leute zusammen, die sich um das Thema kümmern, bei dem eine Veränderung passieren muss, und lässt sie einen Plan ausarbeiten.
Oben drauf kommt ein Steuerungskreis, der die Gruppe legitimiert und bei wichtigen Fragen draufschaut.
Das ist das übliche Vorgehen - das immer wieder zu einem Problem führt. Projektgruppen entwickeln schnell eine "Raumschiff-Mentalität", wie Stefan Kühl es nennt: Sie entfernen sich von der Organisation. Vielleicht sind die Ideen die sie entwickeln, brauchbar - aber ohne Kontakt zum Alltag der anderen Mitglieder geht der Bezug zu den erlebten Problemen verloren.
Stefan Kühl hat darum einen radikalen Vorschlag: Organisationen sollten gleichermaßen auf Projektgruppen und Steuerungskreise verzichten. Besser wäre es, immer unterschiedliche Organisationsmitglieder im Prozess einzubinden, damit der Diskurs von möglichst verschiedenen Seiten informiert wird.
Diese Folge beschäftigt sich mit den Tücken der Arbeitsteilung. Denn eine Herausforderung für jede Veränderung ist, dass je nach dem welche Arbeit jemand in der Organisation wahrnimmt, sein Blick auf das was gut ist und was anders werden soll, ein anderer ist.
Arbeitsteilung führt dazu, dass nicht alle an einem Strang ziehen.
Die unterschiedlichen Interessen sind nicht nur gespielt, nicht nur gespeist aus der Angst von Menschen, die sich vor Veränderungen fürchten. Hier haben Menschen wirklich grundsätzlich verschiedene Auffassungen darüber, was gut wäre für die Organisation. Ihre Auffassung basiert auf dem Bereich, in dem sie arbeiten.
Veränderungen sind deshalb immer Ergebnis einer Verhandlung zwischen Repräsentanten unterschiedlicher Interessen.
Und deswegen bedeuten Veränderungen (an der Formalstruktur) immer auch eine Veränderung in den Machtverhältnissen.
Stefan Kühl hat einen spannenden Rat, wie man diese in den Griff bekommt: Manchmal ist es das Richtige, einen Verhandlungsprozess künstlich in die Länge zu ziehen.
In dieser Folge diskutieren Hermwille und Kühl, wieso es bei jeder Organisationsveränderung nicht nur darum gehen kann, die aktuellen Probleme der Organisation zu lösen. Denn: Jede Veränderung bringt zwangsläufig Folgeprobleme mit sich. Diese „Lösungsprobleme“ müssen bei der Problemlösung immer schon mitgedacht werden.
Mit einem dicken Filzstift über einem Organigramm oder einem Prozesshandbuch stehen, Regeln streichen, Abteilungen neu sortieren, macht Spaß - aber wie viel Änderungen kann man wirklich umsetzen?
In der Praxis erreichen die Fantasien des Veränderungsmanagement schnell ihre Grenzen. Die Grenzen des Gesetzes, etwa: Manche Methoden, die ein Vertrieb gerne nutzen würde, sind leider illegal (findet der Vertrieb.) Staatliche Organisationen bzw. Verwaltungen haben meist wenig Spielraum, was ihre Kommunikationswege, also den Aufbau der Bereiche und Abteilungen angeht. Und in Familienunternehmen kann man fast alles ändern, solange an der Spitze der Hierarchie eine Person mit dem richtigen Nachnamen sitzt.
Dann gibt es andere Grenzen des Veränderlichen, die weniger offensichtlich sind: Manchmal dürfen Strukturen nicht verändert werden, weil sie gerade erst verändert wurden. Oder sie sind das Prestige-Stück eines mächtigen Vorstandsmitglieds. Bevor die Strukturen gehen, muss erst dieses Mitglied gehen. An anderen Stellen geht die Belegschaft auf die Barrikaden, weil die infrage stehende Struktur die schützende (Papp-)wand ist, hinter der sie ungestört die geübten Work-Arounds und Abkürzungen verwenden können, die die Organisation erst am Laufen hält.
Wann hat man Knete vor sich - wann ist es organisationaler Beton? Das wird in dieser Folge diskutiert.
Wie gelingt es, die Arbeitsweisen in einer Organisation zu verändern? Wie wird eine Abteilung offener für Innovation? Warum halten Mitarbeitende so lange am Alten fest, wenn das Neue so viel Verbesserungen für ihren Alltag verspricht?
In dieser Folge geht es darum, dass viele Veränderungsprojekte die Kultur einer Organisation verändern wollen, die ungeschriebenen Gesetze der Zusammenarbeit, die Regeln der Informalität.
Doch brauchen Veränderungen der Kultur immer einen Umweg: Da Kultur die Interpretation der formalen Organisation ist - das Ergebnis davon, was man Mitarbeitenden vorsetzt - muss man auch an der formalen Organisationen ansetzen, will man sie erfolgreich umsetzen.
Es gibt wenig in Organisationen, womit man mehr Fehler machen und mehr Menschen verärgern kann, als mit einem Veränderungsprojekt.
Vom Ziel der Veränderung, über die gewählten Mittel, über die Einbindung der wichtigsten Akteure, zur Kommunikation in die gesamte Organisation gibt es bei jedem Schritt die Chance, organisationales Porzellan umzustoßen.
Diese Staffel von "Der ganz formale Wahnsinn" widmet sich ganz der Frage: Was macht Veränderungen in Organisationen so schwierig? Wie können sie dennoch gelingen?
In der ersten Folge schauen Stefan Kühl und Andreas Hermwille auf ein Problem, das beim Aufsetzen des Veränderungsprojekts auftritt: Nicht selten sollen neue, kluge Lösungen oder Prozesse in die Organisation von draußen rein geholt werden. Externe Beratungen, oder gut informierte interne Change Manager haben sich mit einem bestimmten Problem der Organisation beschäftigt und in der Managementliteratur eine Lösung entdeckt.
Aber: Häufig sind die besten Lösungen in der Organisation schon vorrätig. Die wenigsten Probleme bleiben unbearbeitet. Informal sind meistens schon Work-Arounds, semioffizielle Ansätz, bis zu ausgearbeiteten Prozessen vorhanden, die die Mitarbeitenden ausgiebig nutzen. Nur können sie darüber nicht offen sprechen.
Bevor man also nach einer Management-Mode Ausschau hält, die die Probleme bearbeitet, lohnt sich die Suche nach Lösungen in der Organisation. Was kann man formalisieren, was bisher nur informal war?
Die Suche ist am Ende alternativlos. Denn wenn man eine externe Lösung integriert, wo schon eine informale Lösung erfolgreich ist, wird die vielleicht an der Oberfläche angenommen. Aber wahrscheinlich ist, dass die Mitarbeitenden weiter die Prozesse nutzen werden, mit denen sie bereits gute Erfahrung haben.
Wir ziehen in der letzten Folge der Staffel Bilanz:
Wie besonders sind Familienunternehmen im Verhältnis zu anderen? Wie unterscheiden sich die Strukturen etwa von einem kleinen Verein, in dem auch jeder jeden kennt?
Und was bringt die Zukunft: Organisation und Familie sind unabhängig voneinander zu Anfang der Industrialisierung entstanden. Wo entwickeln sich beide hin?
Wenn man nicht nur reich werden will, sondern superreich, gibt es in Deutschland eigentlich nur eine Option: Man muss Erbe eines Familienunternehmens sein, das über Generationen wachsen konnte.
Die Verbindung aus Reichtum, Erbe und Familienunternehmen ist so auffällig, dass sich eine Forschungsgruppe am des Max-Planck-Instituts mit ihr beschäftigt.
In dieser Folge diskutieren Stefan Kühl und Andreas Hermwille diese Zusammenhänge - und wie weit man Einfluss auf eine Gesellschaft nehmen kann, wenn man so umfangreiche Mittel zur Verfügung hat.
Zur Forschungsgruppe:
https://www.mpifg.de/forschung/vermoegen-und-familienkapitalismus
Ein großes Lebenswerk soll in die richtigen Hände gehen. Wer kann es weiter aufbauen? Wer ist die richtige Person, die den Frieden im Innern sichert und die äußeren Konflikte nicht rein lässt? Wer ist angesehen bei den Mächtigen im engen Kreis, die nur auf ein Zeichen von Schwäche warten, um am Stuhl zu sägen?
Wenn es um Fragen der Nachfolge geht, sind die Parallelen zwischen Organisationen und Königreichen unübersehbar. Nicht ohne Grund spricht man in Konzernen auch gerne von "Fürstentümern", wenn es um Bereichsleitungen geht, die stets ihre eigenen Entscheidungen treffen.
Noch deutlicher scheinen die Parallelen zu sein, wenn es um Familienunternehmen geht. Denn da kommt die Intrige noch hinzu, die Frage des Erbrechts - und wer schon als Kind gezeigt hat, dass er der (Betriebs-)Krone würdig ist.
Wie weit kann man diesen Vergleich treiben? Können wir Interessantes von Adelsfamilien lernen, wenn wir sie als Kontrastmittel für Familienunternehmen nutzen?
Und was sind weitere Konflikte, die bei einer Nachfolge auftreten, bei der die Kenntnis der Person so zentral ist?
In dieser Folge wird die Rolle von Geschlechternormen und deren Wandel in Familienunternehmen diskutiert. Folgende Themen werden behandelt:
1. Historische Perspektive und gesellschaftlicher Wandel:
2. These zur besonderen Dynamik in Familienunternehmen:
3. Arbeitsteilung und Positionierung:
4. Vergleich mit anderen Unternehmensformen:
5. Karrierestrategische Überlegungen:
In dieser Folge wird das Spannungsfeld zwischen Menschen als Organisationsmitglieder und ihrer Rolle als Familienmitglieder in Familienunternehmen diskutiert. Folgende Themen werden behandelt:
1. Die Person als Umwelt der Organisation:
2. Kapital und Einfluss:
3. Familie als Entscheidungsraum:
4. Kommunikative Herausforderungen:
5. Professioneller Umgang mit Konflikten: