"...aber die größte Neuigkeit, die ist wohl mein Nahweh. Nahweh als Pendant zum Fernweh, das mich so lange umtrieb. Meine Radien zu verkleinern, mit Zügen und Fähren zu fahren, statt mich ins Flugzeug zu setzen. Ich ziehe Pinien Palmen vor und den französischem Atlantik dem indischen Ozean. Ich bin so frei, wie lange nicht, könnte gehen, fliegen, fahren, schwimmen, springen, wohin ich wollte, und will stattdessen kleine Kreise drehen. Nicht südlicher als Korsika, nicht nördlicher als Norwegen, nicht westlicher als Biarritz, nicht östlicher als Georgien. Meine Welt wird kleiner und ich in ihr größer, ich erfahre mehr Weite, statt mich erschlagen zu fühlen."
Flausen und Abschied. Da werden sie wieder den Kopf schütteln...
"Gerade schrieb ich einem Freund, ich wünschte, ich wäre so spiri, wie früher, dann könnte ich meinen Fatalismus volle Kanne raushängen lassen und beschwörerisch Verschwörungen in die Luft malen. Weidenzweige streifen meinen Rücken, ich trete in Brennnessel, kühle meine Sohlen im Teich. Ich sitze auf meinem Balkon, lasse mich von der Sonne in Sommerlaune ermatten, denke an den Rosmarin, den ich hier draußen nie pflanzen werden und zähle mindestens fünf hohe Bäume, die allesamt Knospen und Blüten tragen und mich auf meinem Südbalkon im dritten Stock grüßen. Daran könnte ich mich gewöhnen, jetzt, wo ich weiß, ich würde mich nicht mehr daran gewöhnen müssen. Meine Segel wurden gesetzt. Was ich mir am meisten wünschte, trat ein, in anderer Form als gedacht und gewünscht, aber es trat ein. Ich blinzle ein paar Tränen weg, weil ich ziemliche Angst habe, aber so erleichtert bin, dass mir nun ein Schiff gestellt wurde, mit voller Mannschaft. Ich dachte, ich würde hier auf einer kleinen Nussschale hinausdümpeln und finde eine prächtige Galleone vor, auf deren Mast ich von meinem Balkon klettere und mich aufs Deck hinunterschwinge."
"Montagmorgen. Die Ouvertüre des Nussknackers, weit aufgerissene Schlafzimmerfenster, eine dampfende Tasse extra malzigen English Breakfast Teas mit Milch in den Händen. Mein Oberkörper in frisch aufgeschüttelte Kissen sinkend. Ich trage ein viel zu großes T-Shirt aus dem Manner-Laden am Flughafen und eine kurze karierte Karohose, die ich wohl mal von meiner Mutter bekam."
"Und gerade bin ich auf Karpathos. Frisch verlobt winden wir uns im Smart radikal abfallende Bergstraßen nach oben, immer den weiß getünchten Häusern Olympos entgegen. Schwarze Kätzchen und Brotlaibe sonnen sich auf hüfthohen Mauern, ich träufle Honig über meine Apfelspalten und Jakob fotografiert mich beim Essen. Vor Süße und Honig triefendes Obst vor den Nebelschwaden in den Bergen, zu schnell schmelzendes Magnum am Friedhof zwischen Meer und Fußballplatz. Alles in Gold getaucht, Vanilleeis auf der Nasenspitze, eine Milchstraße aus Sommersprossen über mein strahlendes Gesicht und nichts als Flausen im Kopf. Wir sind irgendwo zwischen Fergie, Tarzan und Jane, der Dachterrasse und dem Feigenbaum unseres Hauses, das am Berghang klebt, wie wir aneinander. Vom roten, reudigen Samt am Tiefen Graben in Wien hier runter in diesen Höhenflug. Ich erinnere mich an Kiesbuchten, an Hustenzuckerl, Tiroler Nussöl und irgendwas von Thomas Bernhard."
"Es ist schön, allein. Die Kathedrale sehe ich mir heute noch an. In Italien muss man in kein Museum, sagt mein Vater am Eingang italienischer Museen immer, Italien selbst wäre ein Gesamtkunstwerk, und doch klappern wir eine Ausstellung, eine Kirche nach der anderen ab. Die Bauten, die Gerüche, das Essen, die Menschen, die Schaufenster, das Meer, die Kirchen, die Klänge, die Zypressen, die jede Landschaft in den Garten einer Adelsfamilie verwandeln. Die Weinberge. Das Muster auf Weinbergen aus der Ferne. Bergamottenduftluft. So nahe an Tunesien. Und Italien ist weich, wie TB im Zug nach Spanien betonte, der alte Madridfetischist. Italien lässt einen auch, lässt einen auch sein. Wie oft du und ich wohl genervt voneinander sein werden. Ein starkes Liebesband. Glühender Wonnebrand, glühendes Liebesband. Nein, ewiger Wonnebrand. Siedender Schmerz der Brust, schäumende Gotteslust. Pfeile, durchdringet mich, Lanzen, bezwinget mich, Blitze, durchwettert mich; Daß ja das Nichtige, alles verflüchtige – Pater ecstaticus (auf- und abschwebend)."
"Wieder sitzen wir in einem Haus, vielleicht ist es aus Lebkuchen. Vielleicht sitzen wir auch in einer Schneekugel und beobachten das geschäftige Schneetreiben um uns, hypnotisiert von seiner Monotonie und gleichsam kindlich staunend. Vielleicht entzünden wir Kerzen, deren Flammen unbeirrt von Wind und Schnee kerzengrade brennen. Vielleicht steigen wir in einen Schlitten und fahren über einen zugefrorenen See, sein Eis so klar, man erkennt sogar den steinigen Grund in seiner gähnenden Tiefe. Das Eis knackt und niemand spricht ein Wort. Glöckchen klingeln, aber nur in der Ferne und eigentlich auch nur in unserer Vorstellung. Ich rücke näher an dich und bette meinen Kopf an deinen Kragen. Er ist rau und ich vergrabe mein Gesicht in deinem Hals. Ich bin glücklich, ich will einfach deinen vertrauten Geruch einsaugen und meine Nasenspitze gegen deine weiche Haut stupsen."
"Jetzt sitze ich umgeben von London-Tech-Kids auf einer etwas zu schicken Dachterrasse und zögere alles Weitere hinaus. Ich bin froh, dass es weitergeht, wobei ich einen anderen Fortsetzungsort bevorzugen würde. Und eine andere Fortsetzungszeit. Einen Frühsommertag in Südfrankreich. Aber wir wissen doch alle, wie Unzufriedenheit übers Hier und Jetzt nichts als Leiden erzeugt. Dennoch wollen wir streben, ändern, Sehnsüchte erfüllen und Größeres vollbringen. Die Entscheidung, ein Verlangen stillen zu wollen, beinhaltet daher immer die unweigerliche, bewusste Entscheidung, dafür kurz- oder längerfristige Unzufriedenheit in Kauf zu nehmen. Eine wunderschöne Wahrheit."
"Ich sitze in meinem kleinen Häuschen, spiele mir Ghibli-Musik zum Frühstück und entdecke Cornflakes wieder für mich. Draußen schneit es seit einer Weile und ich blicke durch den Dampf besonnen Richtung Frühling. Ich wünsche mir ein Osterlamm, ein echtes kleines Lamm, das für immer Lamm und für immer bei mir bleibt, mich am Rocksaum zupft und mit sich nach draußen drängt. Eines Tages baue ich aus Steinen, Moos und Gräsern einen Staudamm und trage ihn gleich wieder ab. Gehe in den Wald und klettere auf einen morschen Hochsitz, dessen Winkeln Vögel inzwischen ihre Nester anvertrauen. Wo Tod, da Leben."
"Ich rannte heute Morgen bei minus vier Grad durchs sonnige Berlin, frühstückte danach mit Allisa in einem Restaurant am Paul-Lincke-Ufer Croissant mit Zimtbutter und Himbeermarmelade, Trüffelei, Brioche und koffeinfreien Espresso. Vor einer Woche rannte ich noch barfuß den menschenleeren low-tide-Strand Imsouanes entlang, frühstückte danach Nous-Nous, ungeplant viel Meerwasser und letzten Endes flaumiges Fladenbrot mit Amlou, Honig und Olivenöl unter einem Strohdach auf einer Klippe, dazu frischen Granatapfelsaft, der nun einige Seiten meines Tagebuchs ziert, wie Blutstropfen. Ich vergaß, einen Stein einzupacken, den meine Mutter für mich umhäkelt hätte. Ich verstand an die Brüstung eines Piratenschiffs gelehnt, ich hätte es satt, ständig alleine zu sein. Dann drehte ich mich um, um mit neuen Freunden zu Abend zu essen. Ich dachte, ich würde bloß surfen, für mich bleiben, auf der Klippe sitzend ordentliche Fortschritte mit meinem Buch machen, meditieren, lesen und lange allein die Küste entlang spazieren. Ich verrate dir was. All das, all dieses Alleinsein bedeutet mir nichts mehr."
Erlebt Juni bis Oktober 2022 in Graubünden, New York, Dublin, da und dort. Geschrieben September 2023 in Berlin.
"Ich weiß nicht, ob dieses Tal der Erschütterung standgehalten hätte, weiß aber auch, wie sanft die Berge mir bislang immer abnahmen, was ich ihnen entgegenwarf, was ich durch grobe Schritte in ihre Wege rammte und durch blitzscharfe Blicke in ihre Böden schoss. Wie sehr sie mich mit Geduld und Verständnis und Gnade bedachten, wie sehr sie mich an die Vergänglichkeit meines Zustands und an mein größeres Ganzes erinnerten. Vieles blieb zurück. Einiges kam mit. Ein Tal, ein Biotop, eine dieser Schneekugeln. Diese steht im Regal und lebt damit, nie wieder entstaubt zu werden. Und sie ist fein damit und vergisst sich schlummernd unter ihrem regungslosen Schnee."
Erlebt im August 2023 an einem geheimen Ort der Kärntner Goldberggruppe. Geschrieben im September 2023 in Berlin.
"Und ein Jahr später kehre ich wieder zurück, umarme meine Eltern und sie wundern sich, warum ich schon so früh wieder hier bin. Vermutlich, weil ein Verweilen dort oben Stillstand bedeutet hätte und ich kann dort oben nicht stillstehen, nicht vollends. Liege ich im Bett, so erfasst der Mond mich mit seinen Armen und holt mich zu sich nach draußen."
Instagram: @causachrista
Erlebt und geschrieben im Kärntnerland, August 2023.
"Heute ist Herbst. Übermorgen ist Sommer. Das Leben zeigt mir immer, was zu tun ist, ich brauche bloß den Mut, auch hinzuhören. Da ruht und windet sich etwas in mir und es weiß alles und es weiß alles tatsächlich besser. Der Aufstieg wird mit jedem Mal leichter, die Gipfel mit jedem Mal höher. Ich akzeptiere mit jedem Mal mehr, auch rasten zu müssen, akklimatisiere mich schneller und höre immer besser zu."
Erlebt im slowenischen Soča-Tal im Juli 2020, erinnert und geschrieben im August 2023 in Berlin und Klagenfurt.
"Der Himmel färbt sich rosa und orange und riecht nach Gold und Gold riecht nach Frische, nach Wasser, das daran abperlt, nach Samt, nach Alter und frischem Pfirsich. Der Himmel färbt sich rosa und orange über dem slowenischen Tal, das sich vor uns ausbreitet, die Tannenwälder bereits ein pechschwarz-dunkelblaues Mandala und die Luft sommerlich-arktisch, wohltuend und einschneidend. Wir sitzen auf einer Bank gesäumt von zwei weißen Marienstatuen, hinter uns erstrecken sich die julischen Alpen, ein kleiner, gepflegter Gemüsegarten, weiße Kieswege, ein winziges Kloster. Wir wissen, wir blicken geradewegs Richtung Meer, ohne es hinter den dreireihigen Bergkämmen tatsächlich zu erblicken. Wir essen dunkle Schokolade, frösteln, beten und schweigen, bis Johannes mich, den Blick nach vorne gewandt fragt, ob ich immer noch vorhätte, meine Wanderung morgen fortzusetzen."
Erlebt in Jerusalem, Dezember 2022, verstanden und geschrieben in Berlin, August 2023.
"Ich spaziere nachts am Strand und erkenne den Vollmond. Irgendwo spielt jemand Geige und eine Frau singt ein hebräisches Lied dazu. Ich sinke in den kalten Sand, lausche in Ehrfurcht und möchte weinen, weil’s manchmal einfach so schön sein kann. Ich weine dann aber doch nicht, weil’s eben gerade einfach nur schön ist."
"Es sind bewegte Zeiten bei mir und ich weiß nicht so recht, woran es liegt. Eines aber weiß ich und an eines aber glaube ich, an die wundersam befreiende Macht der Selbstverantwortung und die Macht eigener Vorsätze. Wir können und sollten keine ständige Chirurgie an uns selbst betreiben, noch niemand hat sich jemals größer, kleiner, reicher oder glücklicher manifestiert, aber noch gestalten unsere Gedanken einen großen Teil unserer Erfahrungen."
Ich bin wieder da und mache einen Punkt, wie ein Fragezeichen.
"Diese Worte bilden wohl einen Auftakt, zu dem, was kommt, denn es kommt etwas Neues, geerdet in seiner Poesie des Alltäglichen. Die Poesie verbirgt sich zwischen den Ästen des Ich-Selbst-Seins und ich klettere hinauf, hangle mich Ast für Ast auf mich selbst zu. Ich schlängle mich mit meinem Goldenen nach oben und bin immer wieder am Ziel. Eine Symphonie umfasst immer die ganze Welt, sagte Gustav Mahler einst, und auch ich strebe danach, nach Menschen und Orten, die die ganze Welt in sich tragen und mich an die Welt in mir selbst erinnern."
Es geht heute um verlässliche Rezepte dafür,
Stay hungry, stay foolish.
Für Liebesbriefe und Ähnliches:
Eine Geschichte darüber, wie kann man gleichzeitig überall hingehören und sich dennoch so schwer tun kann, seinen Ort zu finden. Von Berlin in die Alpen, vom Asphalt aufs Moos, von Neubeginn zu Neubeginn.
Links:
Alan Watts schrieb übers (Tag-)Träumen "And then you would get more and more adventurous, and you would make further and further out gambles as to what you would dream". Somit wusste auch er um das Potenzial dessen, wovon wir träumen, wie wir träumen und wie wir den Inhalt unserer Tagträume als Kompass zu einem erfüllten und selbstbewussten Leben nutzen können. In dieser Folge spreche ich davon, wie du dir deine Tagträume zunutze machen kannst, um zu mehr Selbsterkenntnis zu gelangen und herauszufinden, was du wirklich willst. Außerdem beantworte ich, wie du aktiv und bewusst tagträumen kannst, ohne dabei den Kontakt zur Realität und zum jetzigen Moment zu verlieren.
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