Die „Jahrestage“ von Uwe Johnson waren eine umwerfende Lektüreerfahrung für Hille Haker, Professorin für Ethik in den USA. Erinnern und Vergessen ist notwendig. Genauso, wie die Erinnerung lebbar zu machen – wie eine Katze springt sie einen an und kommt nicht unbedingt, wenn man nach ihr ruft.
Erinnerung kann es nicht geben ohne Vergessen. Aber vielleicht ist ja auch das Umgekehrte richtig: dass es Vergessen nicht ohne Erinnern gibt. Vergessen ist etwas anderes als das aktive Verschweigen, bei dem etwas nichtzur Sprache gebracht wird. Zwischen diesen Polen bewegt sich unser Tauchgang.
Als 1979 die erste Folge der Hörspielserie Die drei ??? mit den Detektiven Justus, Peter und Bob veröffentlicht wurde, war unser Gast gerade geboren und die Mauer stand noch. Die Mauer fiel, und Jakob Deibl wurde Benediktinermönch, Philosoph und Theologe. Als er die drei Detektive und ihre Kriminalfälle mit 44 Jahren wieder entdeckt, sind diese nicht gealtert – und noch immer spannend und witzig. Gemeinsam tauchen wir in die Welt der ???.
Etty Hillesum, 27 Jahre jung, jüdisch, Studentin und beseelt von dem Wunsch, Dichterin zu werden, beginnt im Jahr 1941 in Amsterdam ihr Tagebuch. Es gibt Zeugnis von einer unkonventionellen und sinnlichen Frau, die mit radikal ehrlichem Blick auf sich selbst auf der Suche nach Gott ist. 84 Jahre später nimmt ihr Tagebuch uns beim Lesen den Atem. Denn Etty Hillesum kämpft darum, die Schönheit der Welt in einer schrecklichen Zeit wahrzunehmen – und auf poetische Weise mit allen zu teilen. Isabella Bruckner berichtet uns von ihrer Entdeckung dieses lyrischen Tagebuchs.
Als einer ihrer Studierenden als Mitglied der „Letzten Generation“ für 15 Tage in Präventionsgewahrsam kommt, wird Claudia Paganini aktiv: Die Professorin für Medienethik, Theologin, Philosophin und Kommunalpolitikerin beschreibt ihren persönlichen „Kipppunkt“ aus der Resignation. Seither fordert sie in einer Petition von ihren wissenschaftlichen Kolleg:innen, nicht in der Loge sitzen zu bleiben, sondern aktiv zu werden, die Stimme zu erheben – und das Engagement der jungen Menschen zu unterstützen.
Achtung, Nerd-Content! Margareta Gruber ist Forscherin, ihr Spezialgebiet ist das Evangelium nach Johannes. Ihre jahrzehntelange Arbeit führte sie zu einer erstaunlichen Entdeckung: Der Tod Jesu am Kreuz lässt sich wie eine Geburt lesen. Sie nimmt uns mit auf einen unwiderstehlichen Ritt durch ihre komplexe und aufregende Lesart des Johannesevangeliums…
Nächster Live-Tauchgang am 19. März 2025 um 20 Uhr im Club der polnischen Versager, Berlin.
Als Achtjährige durfte sie keine Ministrantin werden – heute ist sie Professorin für Predigtlehre und forscht zu Missbrauch an erwachsenen Frauen in der katholischen Kirche. „Meine Muttersprache ist katholisch“, sagt sie – und deswegen kann sie übersetzen und aufdecken, was für Muster es sind, die Missbrauch in der Kirche begünstigen. Ihre Überzeugung ist: Das, was passiert ist, darf nicht ungesagt bleiben.
Die im Gespräch erwähnte Homepage lautet: Missbrauchsmuster.de; das erwähnte Buch heißt „Erzählen als Widerstand“ – ebenso wie das Gespräch im Hörraum der Akademie.
November 2024 in Berlin Mitte, der Club der polnischen Versager ist proppenvoll. Johanna Haberer, ehemalige Theologieprofessorin und Podcasterin, hat einen Schatz mitgebracht: zwei Lieder von Paul Gerhardt, vertont von Johann Sebastian Bach. Gerhardt schrieb sie vor fast 400 Jahren. Ihre Innigkeit und Leichtigkeit berührt, tröstet und stärkt bis heute - auch an einem trüben Novemberabend im 21. Jahrhundert in Berlin.
„Ich wollte auch so was wie die Bibel schreiben“, sagte John von Düffel, nachdem ihm in der Grundschule zum ersten Mal daraus vorgelesen wird: Eine meisterhafte Erzählung, die den Menschen erlaubt, sich selbst als Teil einer großen Geschichte zu sehen - die man erfinden müsste, wenn es sie nicht schon gäbe, ergänzt Mirja Kutzer. Mirja Kutzer und John von Düffel im Gespräch mit Katrin Visse und Peter Gößwein, aufgenommen zum zehnjährigen Jubiläum der Tauchgänge im Mariengarten der Katholischen Akademie in Berlin.
„Du bist der religiöseste Atheist, den ich kenne“, sagt seine Frau über den Künstler Thomas Lucker. Bei seiner Arbeit kommen immer wieder religiöse Themen auf ihn zu: die Figur des segnenden Christus, das Relief einer Prozession und ein Auferstehungsbild, nämlich „Levitation im neuen Berlin“. Er erzählt uns von seinen Begegnungen, Auseinandersetzungen und Erkenntnissen beim Schaffen dieser Werke und davon, immer wieder an der Grenze zwischen Glauben oder Unglauben unterwegs zu sein.
In einer Haftanstalt begegnen sie sich: Pete William Meyer als Insasse und Dirk Harms als sein Gefängnisseelsorger. Sie teilen dort, was man in einem Gefängnis nicht erwarten würde: Ästhetik, künstlerisches Schaffen und Spiritualität.
Aufgenommen am 28.11.2023 im Club der polnischen Versager, Berlin.
Folge 2: Im Garten der Liebe wächst allerlei: Das Begehren und die Gewohnheit, die Menschenliebe und die Gottesliebe, die Eifersucht und der Liebeskummer. Pater Elmar Salmann hat uns im zweiten Teil des Gesprächs weiter durch diesen Garten geführt und uns Staunen lassen vor kleinen Pflänzchen der Zugewandtheit und der Zärtlichkeit, dem Mammutbaum der Ehe und den Früchten des Eros.
Im Garten der Liebe wächst allerlei: Das Begehren und die Gewohnheit, die Menschenliebe und die Gottesliebe, die Eifersucht und der Liebeskummer. Pater Elmar Salmann hat uns durch diesen Garten geführt und uns Staunen lassen vor kleinen Pflänzchen der Zugewandtheit und der Zärtlichkeit, dem Mammutbaum der Ehe und den Früchten des Eros.
Marguerite Porete und Mechthild von Magdeburg haben im Mittelalter gelebt und aufregende theologische Schriften verfasst. Sie waren Beginen, keine Nonnen, und lebten in selbstbestimmten religiösen Gemeinschaften. Sorgsam erzählt uns die Theologin Christine Büchner von den beiden eigenwilligen Frauen und vom Glühen, das sie erfasst und ins Schreiben gebracht hat – und was und wie so wunderbare Texte entstanden ist.
Am Flughafen von Moskau liegt ein kleiner Koran unter einer Sitzbank. Darauf sitzt eine afghanische Flüchtlingsfamilie. Der 13jährige Milad findet ihn. Viele Jahre sind vergangen. Seither ist das Buch sein ständiger Begleiter. Denn es enthält, was keiner ihm nehmen kann: Poesie. Ihn fasziniert das, was zwischen den Worten liegt: nicht eindeutige Benennung, sondern Vieldeutigkeit, die staunen lässt.
Wenn sie als 15-Jährige im Dunkeln über die Landstraße nach Hause geradelt ist, hat Katharina Ende immer gesungen – um sich im Dunkeln Mut zu machen und auch, weil es ein schöner Abend war. Die Furchtlosigkeit und die Freude am Singen sind seither ein Teil von ihr und haben sie weit geführt: in die West-Ukraine, nach Rumänien und nach Ungarn zum Theologiestudium. Als Pfarrerin fasziniert sie die Gestaltung des Gottesdienstes. „Ich habe da den Anspruch, die Liebe, dass es gut geplant, gut komponiert ist – ein Gesamtkunstwerk, davon bin ich überzeugt.“
In den 70er Jahren gründete Jean Vanier in Frankreich „l’Arche“, eine heute weltweite Bewegung, in der behinderte und nichtbehinderte Menschen in einer damals völlig neuen Weise als Gemeinschaft in der Nachfolge Jesu zusammenleben. Kurz nach Vaniers Tod im Jahr 2019 wurde er des geistlichen Missbrauchs an mindesten 25 Frauen überführt. Seine Handlungen, teilweise auch mit sexuellen Übergriffen, hat er dabei theologisch-mystisch begründet. Klaus Mertes SJ seziert, was geistlicher Missbrauch ist und was alles in Mitleidenschaft gezogen wird: Mystik, Glaube, Vertrauen und Sexualität.
Ursprünglich war Klaudia Höfig Gemeindereferentin in einer westdeutschen Kleinstadt. Dann zog sie mit ihrer Familie 1989 nach Brasilien, wo sie mit politisch-sozial engagierten Nonnen zusammen die Befreiungstheologie kennenlernte. Anschließend ging sie in den US-amerikanischen Bible Belt, wo die Katholiken die „Progressiven“ waren – und in den 90er Jahren in eine chinesische Industriestadt mit einer staatlich kontrollierten katholischen Kirche. Überall wach, interessiert und nah bei den Menschen, reift bei ihr die Erkenntnis: Ohne Kontext bleibt das Christentum oberflächlich. Und auch diese: Willst du wissen was Wasser ist, frage niemals einen Fisch.
Zwar ist uns der Tod in den letzten 3 Jahren nähergekommen – aber über das Sterben und das „Danach“ reden wir nicht. Teresa Schweighofer ist Professorin für Praktische Theologie. Sie war mit Pfarrern, Seelsorgerinnen und Seelsorgern und freien Ritualbegleitern unterwegs und hat viel darüber nachgedacht, was sie selbst tröstet und dem Tod gelassener ins Auge blicken lässt: Das Requiem von Johannes Brahms…
PS: Die musikalischen Einspielungen (eben Stücke aus dem Brahms-Requiem) sind nun entfernt.
Als 15jährige stößt Teresa Forcades auf „Die Wohnungen der Inneren Burg“ von Teresa von Ávila. Damit beginnt für die spätere Benediktinerin, Ärztin, Theologin und Kapitalismuskritikerin aus dem Bergkloster Montserrat in Katalonien eine lebenslange Auseinandersetzung mit der eigensinnigen Dichterin, Kirchenlehrerin und Ordensfrau aus dem 16. Jahrhundert. Beide Teresas verbinden Mystik und tiefe Frömmigkeit mit pragmatischer Lebensklugheit. Im Gespräch führt uns Teresa Forcades in die Welt ihrer großen Namensvetterin, die uns heute Erstaunliches zu sagen hat.