In meinen Lungen warten noch so viele Worte,
die wichtig sind auf ihren Auftritt,
Doch das Zugfenster zwischen
uns lässt nur Lippenbewegungen zu.
So zufrieden wie nie und gleichzeitig
hätte ich von allem,
gerne noch mehr gehabt.
Noch eine Zigarette am
Küchentisch vor dem Schlafengehen.
Noch einmal jede deiner Bewegungen
in der zu engen Badewanne spüren,
während das Plätschern des Wassers
von den Badezimmer-Kacheln hallt.
Noch einmal dein verschlafenes Gesicht
nach dem Aufwachen sehen
und nicht sicher sein,
ob du im Schlaf sprichst,
oder bereits mit mir.
Noch einmal spüren,
wie sich unsere Hände in meiner
Manteltasche
berühren, während der Schnee unter
unseren Schuhen knirscht und
Hundegebell übers Feld klingt.
Noch einmal auf den Lehnen einer Parkbank
sitzen, weil die Sitzfläche selbst
voller Eis ist.
Eine Woche, war so lang
und viel zu kurz zu gleich.
Dein Lächeln fühlt sich an wie Trost,
deine Arme wie ein Heim.
Meine Schultern schmerzen weniger von dem Gepäck,
das ich mitnehme und mehr von dem,
das ich zurücklasse.
Ich versuche mir vorzustellen,
wie ich deine Hand wieder halte,
diesmal nicht in einer Manteltasche,
weil es dann wärmer ist und der Wind sich
mehr nach Lachen anfühlt, als nach Winter
und nach Sonnencreme und Sommer riecht.
Gedanken, so verschwommen
Wie weiße Hunde in sibirischem Schnee.
Die Luft undurchsichtig vom Regen,
der die Nähe meines Körpers sucht,
Wie Meteoriten den Einschlag:
Ein stürmisches Spiegelbild
der Unruhe in meinem Kopf.
Und zwischen der Unruhe,
Inseln der Konzentration:
Deine Haut, die die Kälte fernhält,
Wie ein Feuer am Waldrand.
Mein Bewusstsein, das mit allen Sinnen
Nach dir tastet, wie mit unterschiedlichen Händen,
Wie nach Bedeutung mit unterschiedlichen Sprachen,
Nach schlichten Wahrheiten, wie dem Moos
Auf den Küstenfelsen und dem Gras auf den Dünen,
Dem salzigen Wind, der deine Worte,
Jedoch nicht dein Lächeln verschluckt,
Während deine Füße unter den hochgekrempelten Hosenbeinen,
Zentimeter tief im Watt versinken.
Eine kurze Vorstellung
bis die Scheinwerfer
des vorbeifahrenden Wagens,
mich für Momente blind
in die Nacht entlassen.
Aus dem Lärm des Sturmes,
in die Stille unter den Wellen.
in die Stille,
in der Entscheidungen entstehen,
wie es anderswo Gefühle tun.
wie es anderswo Gedichte tun.
Die ein bereits zum Scheitern
verurteilter,
doch gerade deshalb schöner,
Versuch sind,
die verletzliche Oberfläche
der Wahrheit zu enthüllen,
auf eine Art, wie es die
zögerliche Sprache
eigentlich nicht kann:
konsequent wie es Autoscheinwerfer
tun:
zu hell, als dass,
Augen es sehen könnten
und zu schnell,
als dass es irgendwer verstünde.
Ehe vom Tag ein blasses Rosa bleibt,
Ehe der ausblutende Himmel blaugrau und
Dann Dunkel wird:
Die letzte richtige Glut des Jahres,
Die im gleichen Rot schimmert,
Wie jene Fragmente von Tagen,
Als die Sommersonne hinter den nur leicht
Geschlossenen Lidern
Leuchtete.
Und diese Ähnlichkeit,
Spannt eine Brücke aus Assoziationen
über die Zeit,
Zu den verschwommenen Umrissen,
Eines nur wenig jüngeren,
Doch so ganz anderen Selbsts,
Die man wie ein unscheinbares Fossil
Am Straßenrand aufliest,
In der Klarheit eines fragilen Moments.
Ehe der Tag in sich zusammenstürzt,
Weil der Himmel zu leicht ist, ihn zu halten,
Und die Straßenlaternen,
Welten mit viel kleinerem Radius auf das
Pflaster zeichnen,
So, dass zwischen Schritten,
Kontinente liegen.
Zeit verstehen können nur die Uhren,
doch dem Menschen ist sie fremd,
der sich in ihr bewegt wie auf einem Jahrmarkt:
Der Abend ist jung, alles ist einfach.
Aber was deutlich war, verschwimmt zu
Einer Welt im Vorübergehen.
Zuckerwatte knistert lauter
als Auto-Scooter zusammenstoßen
und
Gebrannte Mandeln, die nach Karamell schmecken,
Lebkuchen, der nach Honig riecht,
Sägespäne, die unter den Schuhsohlen wispern,
das alles ist eins und doch für sich,
so wie das Gefühl,
dass es in den nächsten Tagen noch regnen wird.
Erleichterung für unsere Seelen
die vor den Küsten in der Luft baumeln,
dort mit den Triebwerken der Flugzeuge tanzen.
Die Welt nimmt unsere Farbe an,
unseren Geruch und unseren Klang
und wo die Wellen an den Küsten brechen
finden sich im Rauschen unsere Stimmen.
Die unverständliche Zeit ist alles was wir haben
und der Himmel, der an Regentagen blutet,
damit wir nicht in ihm ertrinken.
Zeit ist launisch,
Wankelmütig und auch sprunghaft.
Sie schleicht, versteckt sich und verschwindet,
Verweilt und begegnet uns von neuem.
Ich fand meine alten Tagebücher
Und ich fand mich im Gespräch,
Mit einem jüngeren Selbst.
All die Veränderungen die ich übersah,
Weil sie schleichend stattfanden,
Nicht sprunghaft,
Waren deutlich, denn es war,
Als wär’ ich selbst in der Zeit zurückgesprungen.
Einsamkeit ist keine Folge räumlicher Entfernung,
Sondern ein Produkt der Zeit.
Wir vermissen Menschen nicht,
Weil sie weiter von uns entfernt sind als andere,
Sondern weil sie jetzt nicht da sind, wo wir sind.
Ich schließe wieder Freundschaft mit einem
fremden Gestern und finde meine Worte dort stehen,
wo ich sie zuletzt verließ.
Diese Bücher sind eine Welt im kleinen,
Die schnell riesig wird,
Weil man sich in ihr auf Zehenspitzen bewegt,
So seltsam darin geht, wie in einem neuen Paar Schuhe,
Oder wie die pinken Flamingos durchs blaue Wasser schreiten,
Und sich gleichzeitig so vertraut fühlt,
Wie beim Gedanken an einen lieben Menschen,
Wie bei Regentropfen auf der Haut und der
Frischen Luft, die einen Raum flutet.
Kerim Mallée
Durch die offenen Fenster dringt die kühle Luft
des Tages nach dem Regen,
darin klingt der Verkehrslärm sanfter und freundlicher.
Statt dem trockenen Staub der Baustellen,
von dem sonst am Ende der Woche die Fenster wieder trübe sind,
steigt der butterweiche Geruch von Löwenzahn herauf,
der in den Bordsteinfugen und den winzigen Grünflächen
am Straßenrand, den Regentau im Wind abschüttelt.
Rechts: Der Weg zum Wald, wo die Geräusche schwächer,
aber der Duft des Regens stärker wird.
Links: Die Straßenbahn-Station ins Herz der Stadt,
das vorübergehend leise schlägt,
doch schlägt.
Und wenn man die Straße überquert,
den Hügel hinabgeht,
dann kommt man zum Bahnhof,
wo Züge warten,
wie ein versprochenes Wiedersehen mit Freunden,
deren Lachen irgendwann wieder so deutlich klingen wird,
wie jetzt das Geräusch der abfahrenden Straßenbahn.
Kerim Mallée
Der Gedanke ans Meer ist mir ein Trost:
Irgendwann wieder barfuß,
mit hochgekrempelten Hosenbeinen
Durchs kühle Watt zu stapfen.
Dabei die Socken trocken in den Schuhen wissend,
dort wo die Wellen noch nicht dunkel
den Sand geglättet haben.
Die Luft riecht salzig und nach Algen,
in meinen Ohren ab und an ein Möwenschrei,
Klebriger Sand an meinen Füßen
und auf der Haut der raue Wind.
Unsichtbar in der Ferne:
Strände fremder Küsten,
an denen Menschen gehen, die Dänisch
oder Englisch sprechen,
doch was ich gerade fühle,
haargenau verstehen.
Kerim Mallée
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung,
Ein sehr langer Begriff, um die Grundproblematik
meines Alltags auszudrücken:
Mein Stoffwechsel baut Dopamin schneller ab,
Als bei anderen Menschen.
Ohne Medikamente geht mir bei den meisten Tätigkeiten,
Auf halber Strecke der Sprit aus.
Medikamente helfen zu funktionieren.
Das Schreiben hilft mir auch dabei.
Papier ist gnädig, es erinnert leichter.
Die Worte verschwinden nicht, nur weil du kurz an
Etwas anderes denkst.
Jedes geschriebene Wort ist wie ein weiterer Haken,
Den man in die Felswand klopft an der man mühselig entlang
Kraxelt. Wie ein weiterer Schützengraben,
Den man ins Niemandsland schaufelt,
Hinter dem für mich der Wunsch liegt,
Noch mehr und noch weiterzuschreiben.
Also habe ich geschrieben,
Ich habe das Blut vergifteter Gedanken,
Aufs Papier tropfen lassen, um es von meiner Seele fernzuhalten.
Wie passend, dass Tinte ebenfalls in Patronen kommt.
Sie ist keine gewöhnliche Flüssigkeit:
Dunkel und undurchsichtig, aber vermag es, Klarheit zu schaffen.
Und was auf dem Papier wächst, blüht schöner,
Als es in Vasen jemals blühen könnte.
Kerim Mallée
Wenn Brustkörbe Zellen und Rippen
Gitterstäbe sind,
Ist deine Stimme ein Fluchtversuch,
Deine Worte ein Labyrinth und du
mehr als manchmal ein Rätsel für mich.
Es ist neblig und die Fahrbahn in die Freiheit ist
Sowieso schon schwer genug zu erkennen,
Auch ohne die Stimmen all der Teufel
Und Götter, die sich auf der Rückbank
Streiten wie Kinder.
Wir sitzen am Pier, die Handflächen
auf dem feuchten kalten Holz.
Kein Stern ist zu sehen und wir schauen den
Booten zu, wie sie wenige Meter vor uns
im Nebel verschwinden.
Wir wollten die Welt sehen,
Das Meer könnte ebenso gut ein See sein,
Wäre da nicht der Salzgeruch.
Freudlos sind wir,
laut und können schreien.
Doch heute schließt du deine Lippen,
wie ein Buch seine Seiten,
denn manchmal reicht es
Gerade nur für ein Schweigen.
Kerim Mallée
Manche Tage sind nicht gut
Und es ist nicht deine Schuld,
Wenn du im Moment fürs erste
keine Hoffnung findest.
Zwischen den Sternen und den Supernovae,
Leuchten Glühwürmchen, deren Flügel
Unbemerkt verkokeln.
Heute warst du bereit,
Dir anzuhören, was die Welt von dir
Fordert und ihr alle Wünsche von
Den Lippen abzulesen.
Aber schäumende Tollwut hat ihre
Schrift verdeckt.
Jemand fragt,
Wie es dir geht.
“Gut.”,
Sagst du.
Aber was du eigentlich meinst, ist:
“Nimm mich mit an einen besseren Ort.”
Du verstehst, warum Menschen rauchen.
Stellst dir vor,
Wie etwas so beruhigend ist, dass
Sogar die Sorge um den Krebs dadurch
schwindet.
Heute ist kein Tag wie alle anderen,
Eher einer wie wenige bisher:
Nicht unbekannt, aber gewöhnt hast du
Dich an solche Tage immer noch nicht.
Ein Tag, schwieriger und schlimmer als andere,
Aber, dass die Erfahrung nicht komplett neu ist,
Ist ein Denkmal für deine Stärke und deinen Willen,
Nicht das Handtuch zu werfen.
Und mit dem Erinnern kommt die Ahnung,
Dass für alles Durchhalten und alles was irgendwie geklappt
Hat,
Die ganzen Szenarien im Raum standen,
Wie es hätte anders kommen können.
In so einer Situation ist es schwer,
Auf Fortuna und dich selbst zu vertrauen,
Aber genau dann hängst du mehr denn je von beiden ab
Und das Beunruhigende an diesem Gedanken ist,
Wie vage er sich anfühlt.
Kerim Mallée