Sie sind zurück. Oli und Flo haben den sonnigen April genutzt, um sich auf den regnerischen Mai vorzubereiten. Denn Shutdown bei Regen bedeutet trotz Lockerungen wieder genau so viel in die Röhre gucken wie die letzten 8 Wochen. Also holen sie zum Kampftag der Kulturschaffenden alte VHS-Tapes mit den besten Folgen des Schwarzen Kanals aus den VEB-Papier-und-Kartonfabrik-Schwedt-Kisten und stoßen dabei auf den großen Erneuerer der Theaterästhetik, den Erfinder des politischen, proletarischen und dokumentarischen Theaters und ersten multivisuellen Theaterkünstler Erwin Piscator. Um dadurch rauszufinden, was konsequente Arbeit immer nach sich zieht - den Fingerzeig auf kommende Revolutionen.
Oli und Flo spazieren durch ihren Podcast-Frühling. Der Wegesrand wird gesäumt von Riten, Liturgien, Passion, Osterspielen und und und. Was ein Gewimmel. Sie sprechen über religiöses Theater, das Verkaufen von Geschichten und Anpflaumen in der Öffentlichkeit. Und aus dem hohlen, finstern Tor dringt längst die universelle Botschaft des Fortschritts hervor: What comes down, musst go up. It's risin'. Frohe Ostern.
Oli und Flo finden heraus, wie viel "Digital Native" in Bezug aufs Gaming in ihnen steckt. Mechanichs, Story und Immersion entwickeln ihren ganz eigenen Sog und katapultieren die beiden zuerst ganz weit zurück in die Kindheit zum GameBoyColor und Zelda und dann wieder vor bis auf die Bühne. Bis der Theatermacher die Spieleentwicklerin fragt: Wie hält es es denn eigentlich mit der Moral?
Oli und Flo bleiben viel drinnen trotz schönen Wetters. Und wenn die Kinder nicht so nervten, wäre auch mehr Musik drin. Aber wenigstens reden können sie ja drüber. Melodram und Musiktheater, Dorfrichter Adam und Shaggy, Affekte und Penetranz. Das sind so Themen. Aber letztlich dreht sich alles um's eine: Popmusik ist besser als ihr Ruf. Genau wie Theater. Also, Proletarier aller Künste, vereinigt euch. Hyper hyper.
Oli und Flo ballern wie Musketen. Auf Maßstäbe und Scheidungslinien. Auf Französisch und Alt-Griechisch. Kritik und Selbstkritik würde der Stalinismus dazu sagen. Stadelmaier, Kasch, Schilling, Fischer - sie alle sitzen on air am Podcast-Rand und lassen sich genüsslich auf dem Füller zerlaufen, was Oli und Flo ihnen zugestehen: Mal schreiben sie uns hoch, mal schreiben sie uns runter. Hammer. Wenn sie gut böse sind.
Oli und Flo ergreifen neben der Gelegenheit auch das Wort für ihre 3. Staffel. Als spektakulär aussehender Single und exzellent gereifter Familienmensch decken sie die halbe Bandbreite von Lebensmodellen an Theaterhäusern ab; das zwingt zu einer Folge über die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Work-Life-Balance, Freie-Tage-Regelung oder Vergütungs-Aspekte - alles drängt auf die eine Frage zu: Wer sitzt schneller mit der Shotgun im Autostau? Der ausdauernd verfügbare Solo-Regieassistent oder der Kitawege abhetzende Kindervater?
Oli und Flo gehen mit ihrer wahren Leidenschaft ins Gericht: Fernsehen ab 14:00 Uhr. Verrückt nach Meer versuchen sie das Saiblingsmännchen Karsten zu Pfleger Johann in die 35-minütige Dreiviertelstunde der "Küchenschlacht" zu hieven. Sie schwärmen von Susanne Daubner und Petra Gerster, und weil eine der beiden aus Halle kommt, erbarmen sie sich doch irgendwann ihres eigentlichen Themas: die Beziehung zwischen dem Theater und seiner Stadt. Und den 4 Säulen zur dezentralen Dynamik.
Oli und Flo wirken als hätten sie Feuerzangenbowle getrunken, so viel schwelgen sie in den Erinnerungen an die Lehrjahre. An herausfordernde Dozentinnen, WG-Bergfeste und Kiffen auf dem Campus. Dabei lüften sie zufällig das Zusammenspiel der Mächte im Hintergrund, die internationale Stadttheaterverschwörung. Was sie zu ihrer eigentlichen Aufgabe führt, nämlich dem Theater aus jedem seiner Buchstaben die ihm innewohnenden Teile zu entlocken. Und mit der Zeit zu merken, das auf unseren Bühnen regelmäßig der Turbo-Treibstoff unserer Zivilisation raffiniert wird - der Radikale Ringelpiez unter ästhetischem Anfassen.
Oli und Flo starten Staffel 2 mit defektem Warp-Antrieb: Der Eine fährt wider Erwarten permanent über verlassene Autobahnen, der Andere muss sich in einem neuen Büro einrichten. Paradox. Denn während die halbe Welt die aktuelle Situation angeblich zur Entschleunigung nutzt, zwingt der Shutdown Oli und Flo zum Turn-Up. Kein Wunder also, dass sie anfangen über die sinnliche Unsinnigkeit von "Systemrelevanz" zu sprechen, über den seligen Zustand der Vereinzelung in der Masse - den so positiv nur das Theater herzustellen vermag - zu sinnieren und zwangsläufig bei der universellen Frage unserer Gegenwart landen: Was würden eigentlich Aliens zu Castorf-Inszenierungen sagen?
Oli und Flo fragen sich, welche Signalart sie empfangen, wenn sie an Cotton Eye Joe und Let's Dance mit Rita Süßmuth denken. Die gemeinsame Aufarbeitung ihrer individuellen Recherche führt sie heran an Institute, Conventions und Dramaturgie der Digitalität, an die Wahrnehmung inszenierungsfremder Devices im Zuschauerraum, Nacktheit als Present Shock und dem Spanbnungsverhältnis zwischen analoger Unendlichkeit und digitalem Fingerzeig. Aber letztlich dreht sich ihr Denken schon längst um diese Frage: Wie muss Technologie die Kultur verändern, damit die Kultur unser Verständnis von Technologie schärft? Und worin die Theater jetzt verstärkt investieren müssen?
Oli und Flo genügen sich eigentlich gegenseitig. Aber die Außenwelt drängt mit Macht in ihr virtuelles Studio. Und zwar in Person von Jonas, Theatermacher aus Halle (Saale) und Intendant der Volksbühne Kaulenberg. Sie sprechen zu dritt recht lange über Unmittelbarkeit im Theatersaal, die komplexe Algebra der Theatertheorie mit "A als B vor C" und streifen irgendwie Zusammenhänge zwischen Volk und Bühne. Und plötzlich geht es eben doch um gutes wie schlechtes Theater gleichermaßen, das dem digitalen Raum (noch) etwas voraus hat - die Unausweichlichkeit vor der Sehnsucht des Aufstehens und dem Terror des Sitzenbleibens. Oder eben andersrum.
Oli und Flo verabreden sich zum ersten Mal nachmittags. Vielleicht liegt es an der hohen Zielsetzung der Folge, Autorität im Theater zu besprechen. Vielleicht auch am zeitlichen Orientierungsverlust, der zunehmend einsetzt, wenn man Arbeitsroutinen für einen Job, den man nie machen wollte, entwickelt. Naja. Wo sie anfangs noch über die Magie der letzten Arbeitsstunde eines regulären Probentages sprechen, gelangen sie bald schon zum Verantwortungsverhältnis zwischen Arbeitnehmer_innen und Arbeitgeber_innen, Organisation von Zustimmungswerten und Gagenverhandlungen. Und als sich ihr Gespräch in technokratischer Analyse festzufahren droht, taucht auf einmal Kay Voges auf und hilft ihnen zu entdecken, was stets der Grund bleiben wird für die Relevanz von Theater - das Soziale Experiment.
Oli und Flo nehmen sich vor, ihr Podcast-Thema ernst zu nehmen und wirklich über Theater zu reden. Die ersten 15 Minuten scheitern sie kläglich, aber dann explodiert auf einmal eine Supernova: Es geht um die Deutungshoheit über eine Krise, die eigentlich eine Katastrophe ist, um sich selbst vollziehende Prophezeiungen, um theatrale Kreativität im Netz und die Frage, ob "das Theater" nun weitergeht oder implodiert. Der Furor ist so berechtigt und hilflos zugleich, unser aller Liebe zur schönsten Hauptsache der Welt bei aller Kritik so deutlich und die Tonqualität so unterirdisch, dass es nur eine Hoffnung gibt: Macht die Butzen schnell wieder auf, damit alle am Theater wieder das einzige machen können, was sie gelernt haben - Theater.
Anm.: Viel zu lang, schlechte Qualität - diese Folge könnte man auf den ersten Horch als "klassische Zweite" bezeichnen. Ist sie aber nicht. Kämpft einfach gegen eure weichgespülten Convinience-Hörgewohnheiten an!
Oli und Flo nehmen Tuchfühlung mit ihrer neuen Idee zur Arbeitsgestaltung und der alten Technik zu deren Umsetzung auf. Plötzlich geht es viel um DDR-Hotels, NVA-Tankwarte und Margot Honecker. Später schwenken sie ein auf Ausbildungsvergütungen und lassen sich den ein oder anderen Shoutout nicht nehmen. Und tatsächlich dreht sich die Folge irgendwann auch ein wenig ums Theater. Wer hätte das gedacht?
Credits: Jennifer Krannich fürs Intro