Hiob 38, 1 Dann ergriff der Herr selbst das Wort und antwortete Ijob aus dem Sturm heraus. Er sagte zu ihm: 2 »Wer bist du, dass du meinen Plan anzweifelst, von Dingen redest, die du nicht verstehst? 3 Nun gut! Steh auf und zeige dich als Mann! Ich will dich fragen, gib du mir Bescheid! 4 Wo warst du denn, als ich die Erde machte? Wenn du es weißt, dann sage es mir doch! 5 Wer hat bestimmt, wie groß sie werden sollte? Wer hat das mit der Messschnur festgelegt? Du weißt doch alles! Oder etwa nicht? 6 Auf welchem Sockel stehen ihre Pfeiler? Wer hat den Grundstein ihres Baus gelegt? 7 Ja, damals sangen alle Morgensterne, die Gottessöhne jubelten vor Freude! 8 Wer hat das Meer mit Toren abgesperrt, als es hervorbrach aus dem Schoß der Erde? 9 Ich war's, ich hüllte es in dichte Wolken, als Windel gab ich ihm den dunklen Nebel. 10 Ich gab ihm seine vorbestimmte Grenze, schloss es mit Tor und Riegel sicher ein. 11 Ich sagte ihm: ›Bis hierher und nicht weiter! Hier hört der Hochmut deiner Wellen auf!‹ 12 Hast du je einen Tag heraufbefohlen, der Morgenröte ihren Platz bestimmt 13 und ihr gesagt, der Erde Saum zu fassen und alle Bösen von ihr abzuschütteln? 14 In ihrem Licht erheben sich die Berge, wie Kleiderfalten treten sie hervor. 15 Den Bösen aber bringt das Licht kein Glück, es setzt dem Missbrauch ihrer Macht ein Ende. 16 Warst du schon unten bei den Meeresquellen? Den Grund des Meeres, hast du ihn durchstreift? 17 Hast du am Tor der Totenwelt gestanden, dort, wo die ewige Finsternis beginnt? 18 Weißt du, wie weit die Erde sich erstreckt? Wenn du das alles kennst, dann sag es mir! 19 Kennst du den Weg zum Ursprungsort des Lichtes? Von welcher Stelle kommt die Dunkelheit? 20 Führst du sie bis ans Ende ihres Weges und bringst sie dann zu ihrem Ort zurück? 21 Du musst es können, denn du bist so alt, du warst ja damals lange schon geboren! 22 Hast du die Vorratskammern schon gesehen, wo ich den Schnee und Hagel aufbewahre? 23 Ich halte sie bereit für Unheilstage; mit ihnen greif ich ein in Kampf und Krieg. 24 Wo ist der Weg zum Aufgangsort der Sonne und wo der Platz, von dem der Ostwind kommt? 25 Wer grub am Himmel Rinnen für den Regen? Wer bahnte dem Gewitter seinen Weg? 26 Wer lässt es regnen auf die öde Steppe, aufs Land, in dem es keine Menschen gibt? 27 Wer stillt den Durst der ausgedörrten Erde, damit sie grünes Gras aufsprießen lässt? 28 Denk an den Regen: Hat er einen Vater? Und sieh den Tau: Hat jemand ihn gezeugt? 29 Wo kommt das Eis her? Wer ist seine Mutter? Und welcher Schoß gebar den Reif und Frost, 30 der Bach und Fluss in harten Stein verwandelt, das Meer bewegungslos erstarren lässt? 31 Kannst du das Siebengestirn zusammenbinden? Löst du den Gürtel des Orions auf? 32 Lässt du die Tierkreisbilder aufmarschieren, dass jedes sichtbar wird zu seiner Zeit? Lenkst du den Großen und den Kleinen Wagen? 33 Kennst du die Ordnung, der der Himmel folgt, und machst sie gültig für die ganze Erde? 34 Rufst du den Wolken dort Befehle zu, damit sie Regen auf dich strömen lassen? 35 Schickst du die Blitze auf die Erde nieder? Stehn sie dir zu Befehl, wenn du sie rufst? 36 Wer sagt dem Ibis, dass der Nilstrom steigt? Wer sagt dem Hahn, dass Regenwetter kommt? 37 Wer zählt die rechte Zahl von Wolken ab? Wer leert des Himmels Wasserkrüge aus, 38 wenn alle Ackerschollen fest zusammenbacken, die Erde hart geworden ist wie Stein? 39 Treibst du der Löwin ihre Beute zu? Stillst du die heiße Gier der jungen Löwen, 40 wenn sie sich in den Höhlen niederkauern, in dichten Büschen auf der Lauer liegen? 41 Wer ist es, der den Raben Futter gibt, wenn ihre Jungen nichts zu fressen finden und mir laut schreiend ihren Hunger klagen?
Hiob 32, 1 Die drei Männer gaben es auf, mit Ijob zu reden, weil er sich selbst für unschuldig hielt. 2 Aber ein anderer, der dabeistand, Elihu, der Sohn Barachels, ein Busiter aus der Sippe Ram, konnte nun nicht länger an sich halten. Er war zornig auf Ijob, weil der sich im Recht sah und Gott die Schuld zuschob. 3 Er war aber auch zornig auf die Freunde Ijobs, weil sie es nicht fertig brachten, Ijob seine Schuld nachzuweisen. 4 Weil Elihu jünger war als die anderen, hatte er sich zurückgehalten, solange sie mit Ijob redeten. 5 Doch als er sah, dass sie nichts mehr zu sagen wussten, ließ er seinem Zorn freien Lauf. 6 Er sagte: »Ich bin noch jung, bin nicht so alt wie ihr; drum hielt ich mich zurück und scheute mich, mein Wissen vor euch Männern auszubreiten. 7 Ich sagte mir: ›Erst soll das Alter reden, Erfahrung langer Jahre hat den Vortritt.‹ 8 Doch was den Menschen klug macht, ist der Geist, der Hauch, den Gott ihm eingeblasen hat. 9 Ob einer weise ist, liegt nicht am Alter; was recht ist, weiß man nicht aufgrund der Jahre.
Hiob 31, 1 Mit meinen Augen schloss ich den Vertrag, niemals ein Mädchen lüstern anzusehen. 2 Was hätte ich von Gott sonst zu erwarten? Was wäre seine Antwort auf mein Tun? 3 Er schickt Verderben, straft mit Missgeschick, wenn jemand böse ist und Unrecht tut. 4 Gott sieht doch, was ich tue und was nicht; er zählt doch alle meine Schritte nach! 5 Ich schwöre, dass ich nie zur Lüge griff und nie versuchte, andere zu betrügen. 6 Wenn Gott mich auf gerechter Waage wiegt, dann muss er meine Unschuld anerkennen. 7 Wenn ich vom rechten Weg gewichen bin, wenn ich mein Herz den Augen folgen ließ, wenn meine Hände schmutzig sind von Schuld, 8 dann soll ein anderer essen, was ich säte, oder die Ernte soll vernichtet werden. 9 Wenn ich für meines Nachbarn Frau entbrannte und auf sie lauerte an seiner Tür, 10 soll meine Frau für einen andern kochen und andere Männer sollen mit ihr schlafen! 11 Denn mein Vergehen wäre eine Schandtat, die jeder Richter hart bestrafen müsste; 12 ein Feuer wäre es, das mich vernichtet und restlos niederbrennt, was mir gehört.
Hiob 30, 1 Jetzt aber verlachen mich, die jünger sind als ich, deren Väter ich nicht wert geachtet hätte, sie zu meinen Hunden bei der Herde zu stellen, 2 deren Stärke ich für nichts hielt, denen die Kraft dahinschwand; 3 die vor Hunger und Mangel erschöpft sind, die das dürre Land abnagen, die Wüste und Einöde; 4 die da Salzkraut sammeln bei den Büschen, und Ginsterwurzel ist ihre Speise. 5 Aus der Menschen Mitte werden sie weggetrieben; man schreit ihnen nach wie einem Dieb; 6 an den Hängen der Täler wohnen sie, in Erdlöchern und Steinklüften; 7 zwischen den Büschen schreien sie, und unter den Disteln sammeln sie sich – 8 verachtetes Volk und Leute ohne Namen, die man aus dem Lande weggejagt hatte. (Luther)
9 Jetzt singen sie ihr Spottlied über mich, ich bin der Redestoff für ihren Klatsch. 10 Sie ekeln sich und rücken von mir ab, sie haben keine Scheu, mich anzuspucken. 11 Ganz schwach und wehrlos hat mich Gott gemacht, drum lassen sie auch jede Hemmung fahren. 12 Nun kommt die Schlangenbrut und greift mich an; sie zwingen mich, die Stellung aufzugeben; sie schütten Dämme auf zum letzten Sturm. 13 Sie haben mir den Fluchtweg abgeschnitten; zu meinem Sturz trägt jeder fleißig bei, sie brauchen dazu keine fremde Hilfe. 14 Sie dringen durch die Breschen meiner Mauer und drängen durch die Trümmer auf mich zu. (Gute Nachricht Bibel).
Hiob 29, 2 »Ach, wenn es wieder so wie früher wäre, als Gott mich führte und mein Leben schützte! 3 Er schenkte mir Erfolg an jedem Tag, in dunklen Stunden leuchtete sein Licht. 4 Wär's einmal noch wie in der besten Zeit, als Gott mein Freund war und mein Heim bewahrte! 5 Mit seiner ganzen Macht stand er mir bei, rings um mich waren alle meine Kinder. 6 Die Kühe und die Ziegen gaben Milch, so viel, dass ich drin hätte waten können. Kein Boden war zu steinig für Oliven, ich hatte Öl in ungeheuren Mengen. 7 Ging ich zum Rat der Ältesten am Stadttor und setzte mich in ihrer Runde nieder, 8 so traten alle Jungen scheu beiseite, die Alten standen auf und blieben stehen; 9 die Edlen hörten plötzlich auf zu reden und legten einen Finger auf die Lippen; 10 sogar die Angesehensten verstummten, als wäre ihre Zunge festgeklebt. 11 Wer mich erblickte oder reden hörte, war voller Lob für mich und meine Taten: 12 Ich half den Armen, die um Hilfe riefen, den Waisenkindern, denen niemand beistand. 13 Von neuem Mut Erfüllte priesen mich, den Witwen gab ich Sicherheit und Freude. 14 Gerechtigkeit war immer mein Gewand, mein Mantel und mein Turban war das Recht. 15 Für die Erblindeten war ich das Auge und für die Lahmen wurde ich der Fuß. 16 Für die Bedürftigen war ich der Vater, das Recht der Fremden prüfte ich genau. 17 War einer grausam, brach ich ihm den Kiefer und riss ihm seine Beute aus den Zähnen. 18 Ich hoffte, alt zu werden wie der Phönix und so wie er in meinem Nest zu sterben. 19 Ich glaubte, wie ein starker Baum zu sein, der seine Wurzeln tief ins Wasser senkt und dessen Zweige nachts der Tau befeuchtet. 20 Ich dachte, immer neuen Ruhm zu finden und immer stark zu bleiben wie ein Bogen, der Pfeil auf Pfeil verschießt und nicht ermattet. 21 Denn alle warteten auf meinen Rat und hörten schweigend meiner Rede zu; 22 dann wollte niemand mehr noch etwas sagen. Sie sogen meine Worte auf wie Tropfen; 23 sie warteten darauf wie auf den Regen, so wie Verdurstende nach Wasser lechzen. 24 Mein Lächeln brachte ihr Vertrauen wieder; sah ich sie freundlich an, so strahlten sie. 25 Ich führte sie, bestimmte ihren Weg, so wie ein König seine Truppen führt; wenn jemand traurig war, gab ich ihm Trost.
Hiob 28, 12 Die Weisheit aber – wo ist sie zu finden? Und wer kann sagen, wo die Einsicht wohnt? 13 Hier bei den Menschen findet sie sich nicht und ihren Kaufpreis kann kein Händler nennen. 14 Die tiefste Tiefe sagt: ›Hier ist sie nicht!‹ ›Hier hat sie keine Wohnung‹, sagt das Meer. 15 Man kauft sie nicht, man tauscht sie auch nicht ein, für Gold und Silber ist sie nicht zu haben, 16 mit allerfeinstem Gold nicht zu bezahlen, auch nicht mit Karneolen und Saphiren. 17 Mit reinstem Glas lässt sie sich nicht vergleichen, Gerät aus bestem Gold reicht nicht zum Tausch. 18 Korallen und Kristalle zählen nicht, sie übertrifft an Wert sogar die Perlen. 19 Der feinste Topas und das reinste Gold sind unvergleichbar mit dem Wert der Weisheit. 20 Wo ist ihr Ort? Wo kommt die Weisheit her? Und wer kann sagen, wo die Einsicht wohnt? 21 Kein Lebewesen hat sie je gesehen, kein Vogel hat sie je im Flug erspäht. 22 Sogar der Abgrund und der Tod bekennen: ›Wir haben bloß mal von ihr reden hören.‹ 23 Nur Gott, sonst niemand, kennt den Weg zu ihr. Er ganz allein weiß, wo die Weisheit wohnt. 24 Gott sieht die Erde bis an ihre Enden, vom Himmel aus erblickt er alle Dinge. 25 Als er dem Winde seine Wucht verlieh, dem Meer sein Maß und seine Grenze gab, 26 als er dem Regen Zeit und Ort bestimmte und der Gewitterwolke ihren Weg, 27 da sah er auch die Weisheit, prüfte sie, erkannte ihren Wert und nahm sie auf. 28 Danach gab Gott den Menschen diese Regel: ›Den Herrn stets ernst zu nehmen, das ist Weisheit. Und alles Unrecht meiden, das ist Einsicht.‹«
Hiob 28, 12 Die Weisheit aber – wo ist sie zu finden? Und wer kann sagen, wo die Einsicht wohnt? 13 Hier bei den Menschen findet sie sich nicht und ihren Kaufpreis kann kein Händler nennen. 14 Die tiefste Tiefe sagt: ›Hier ist sie nicht!‹ ›Hier hat sie keine Wohnung‹, sagt das Meer. 15 Man kauft sie nicht, man tauscht sie auch nicht ein, für Gold und Silber ist sie nicht zu haben, 16 mit allerfeinstem Gold nicht zu bezahlen, auch nicht mit Karneolen und Saphiren. 17 Mit reinstem Glas lässt sie sich nicht vergleichen, Gerät aus bestem Gold reicht nicht zum Tausch. 18 Korallen und Kristalle zählen nicht, sie übertrifft an Wert sogar die Perlen. 19 Der feinste Topas und das reinste Gold sind unvergleichbar mit dem Wert der Weisheit. 20 Wo ist ihr Ort? Wo kommt die Weisheit her? Und wer kann sagen, wo die Einsicht wohnt? 21 Kein Lebewesen hat sie je gesehen, kein Vogel hat sie je im Flug erspäht. 22 Sogar der Abgrund und der Tod bekennen: ›Wir haben bloß mal von ihr reden hören.‹ 23 Nur Gott, sonst niemand, kennt den Weg zu ihr. Er ganz allein weiß, wo die Weisheit wohnt. 24 Gott sieht die Erde bis an ihre Enden, vom Himmel aus erblickt er alle Dinge. 25 Als er dem Winde seine Wucht verlieh, dem Meer sein Maß und seine Grenze gab, 26 als er dem Regen Zeit und Ort bestimmte und der Gewitterwolke ihren Weg, 27 da sah er auch die Weisheit, prüfte sie, erkannte ihren Wert und nahm sie auf. 28 Danach gab Gott den Menschen diese Regel: ›Den Herrn stets ernst zu nehmen, das ist Weisheit. Und alles Unrecht meiden, das ist Einsicht.‹«
Hiob 18, 5 Es bleibt dabei: Ein böser Mensch geht unter, das Licht in seinem Leben wird erlöschen, das Feuer seines Herdes nicht mehr leuchten; 6 in seinem Zelte brennt die Lampe nieder – genauso geht sein Lebensglück zu Ende. 7 Sein Schritt, sonst weit und fest, wird kurz und zögernd; er stolpert über seinen eigenen Plan. 8 Er läuft ins Netz, fällt durch das Zweiggeflecht, das er einst selber auf die Grube legte. 9 Die Falle springt und packt ihn an der Ferse, die Schlinge zieht sich zu und hält ihn fest. 10 Ein Fallstrick liegt versteckt vor ihm am Boden, die Falle wartet schon auf seinem Weg. 11 Von überall bedrängen ihn die Schrecken, sie jagen ihn auf Schritt und Tritt in Angst. 12 Der Hunger raubt ihm seine letzte Kraft, das Unglück ist sein ständiger Begleiter. 13 Und auch die Krankheit kommt, des Todes Tochter, lässt seine Haut und seine Glieder faulen. 14 Aus seinem sicheren Zelt wird er vertrieben, um vor den Herrn der Totenwelt zu treten.
Hiob 16, 10 Die Leute rotten sich um mich zusammen, sie reißen ihre Mäuler auf und spotten, sie schlagen mir voll Feindschaft ins Gesicht. 11 Gott hat mich an Verbrecher ausgeliefert, mich schlimmen Schurken in die Hand gegeben. 12 Aus meinem Frieden riss er mich heraus, er packte mich im Nacken, warf mich nieder. Dann nahm er mich als Ziel für seine Pfeile, 13 die mich von allen Seiten dicht umschwirren. Erbarmungslos durchbohrt er meine Nieren, lässt meine Galle auf die Erde fließen. 14 Er schlägt mir eine Wunde nach der andern, so wie ein Kriegsheer Breschen in die Mauer. 15 Das Trauerkleid ist meine zweite Haut, besiegt und kraftlos liege ich im Staub. 16 Ganz heiß ist mein Gesicht vom vielen Weinen, die Augen sind umringt von dunklen Schatten. 17 Und doch, an meinen Händen klebt kein Unrecht und mein Gebet ist frei von Heuchelei! Hiob 17, 1 Das Atmen fällt mir schwer, mein Leben endet, der Docht verglimmt, mein Grab ist schon geschaufelt. 2 Rings um mich höre ich den Hohn der Spötter, auch nachts lässt ihr Gezänk mich nicht mehr schlafen. ... 6 Doch jetzt bin ich die Spottfigur der Leute, ich werde angespuckt; Gott stellt mich bloß. 7 Vor Kummer ist mein Auge fast erblindet, ich bin nur noch ein Schatten meiner selbst. 8 Ihr haltet euch für redlich, seid entsetzt; ihr meint, ihr hättet keine Schuld, erregt euch, in euren Augen bin ich ein Verbrecher. 9 Ihr seid gerecht und lasst euch nicht beirren, seid rein und schuldlos, fühlt euch nur bestärkt. 10 Kommt doch, kommt ruhig alle wieder her; bei euch ist doch nicht einer mit Verstand! 11 Vorbei sind meine Tage; meine Pläne, die Wünsche meines Herzens, sind zunichte.
Hiob 15, 20 Der skrupellose Unterdrücker zittert sein Leben lang aus Angst vorm letzten Tag. 21 In seinen Ohren gellen Schreckensstimmen; im tiefsten Frieden wartet er auf Räuber; 22 er hofft nicht mehr, dem Dunkel zu entrinnen; das Schwert scheint über seinem Kopf zu schweben; 23 schon sieht er Geier seinen Leichnam fressen. Er weiß, der Untergang ist ihm gewiss; der Tag der Finsternis 24 stürzt ihn in Schrecken; verzweiflungsvolle Angst rückt auf ihn zu, bereit zum Angriff wie ein starker König. 25 So geht's dem Mann, der seine Fäuste ballt, Gott, dem Gewaltigen, den Krieg erklärt. 26-27 Weil er von Kraft und von Gesundheit strotzt, nimmt er den großen, schweren Schild zur Hand und macht den Nacken steif zum Sturm auf Gott. 28 Er zieht in Häuser, die verlassen wurden, baut Städte auf, die Trümmer bleiben sollten, und fürchtet nicht den Fluch, der darauf lastet. So trotzt er Gott und fordert ihn heraus. 29 Was solch ein Mensch besitzt, ist nicht von Dauer; er wird hier auf der Erde niemals reich; 30 der dunklen Totenwelt entgeht er nicht.
Hiob 13, 1 Was ihr so redet, hab ich längst gehört, ich hab es selbst gesehn und mir gemerkt. 2 Was ihr da wisst, das weiß ich allemal, darin nehm ich es gerne mit euch auf! 3 Doch nicht mit euch, mit Gott hab ich zu reden; mit dem Gewaltigen lieg ich im Streit! 4 Ihr selbst seid ratlos, deckt es zu mit Lügen; Kurpfuscher seid ihr, die nicht heilen können! 5 Es wäre besser, wenn ihr schweigen würdet, dann könnte man euch noch für weise halten! 6 Hört zu, damit ich euch mein Recht beweise! Macht eure Ohren auf für meine Worte! 7 Tut ihr's für Gott, wenn ihr so schamlos lügt? Wollt ihr zu seinen Gunsten mich betrügen? 8 Warum ergreift ihr denn Partei für ihn? Müsst ihr ihn etwa vor Gericht vertreten? 9 Wie wäre es, wenn er euch jetzt verhörte? Lässt Gott sich von euch täuschen wie ein Mensch? 10 Er wird euch ganz gewiss zur Rede stellen, wenn ihr geheimen Vorurteilen folgt. 11 Erschreckt ihr nicht vor seiner Majestät? Schon der Gedanke müsste euch erschüttern! 12 Wie Staub im Wind sind eure weisen Sprüche und eure Gründe halten stand wie Ton. 13 Seid still, lasst mich in Ruh! Jetzt rede ich! Was daraus wird, das ist mir völlig gleich! 14 Und wenn ich mich um Kopf und Kragen rede: Ich bin bereit, mein Leben zu riskieren. 15 Gott wird mich töten, darauf warte ich; doch erst will ich vor ihm mein Recht behaupten. 16 Vor ihm zu stehen wär für mich schon Rettung; denn Heuchler kommen nicht in seine Nähe. 17 Nun hört euch an, was ich zu sagen habe, dass ihr begreift, was ich erklären will! 18 Ich bin bereit, den Rechtsfall vorzutragen. Ich bin im Recht, das weiß ich ganz genau! 19 Wer hätte Aussicht, mich zu Fall zu bringen? Dann wollt' ich gerne schweigen und auch sterben! 20 Nur dies, mein Gott, erbitte ich von dir, damit ich offen vor dich treten kann: 21 Zieh deine schwere Hand von mir zurück und fülle mich nicht mehr mit Angst und Schrecken. 22 Dann klage an und ich will Rede stehen; oder ich frage dich und du gibst Antwort. 23 Wie viele Sünden habe ich begangen? Wie groß ist meine Schuldenlast bei dir? 24 Weshalb siehst du mich nicht mehr freundlich an und tust, als wäre ich dein Feind geworden? 25 Was bin ich denn? Ein abgefallenes Blatt, ein dürrer Strohhalm, fortgeweht vom Wind. Doch ständig scheuchst du mich und jagst mir nach! 26 Zu harten Strafen hast du mich verurteilt, kein Fehler meiner Jugend ist vergessen! 27 Du lässt nicht zu, dass ich mich frei bewege, argwöhnisch überwachst du jeden Schritt, selbst meine Fußspur zeichnest du dir auf. 28 Deshalb zerfalle ich wie faules Holz, wie ein von Motten angefressenes Kleid.
Hiob 12, 1 Ijob antwortete: 2 »So ist's! Was seid ihr doch für kluge Leute! Mit euch stirbt ganz bestimmt die Weisheit aus! 3 Doch ich bin auch nicht auf den Kopf gefallen, ich hab genauso viel Verstand wie ihr! Was ihr gesagt habt, könnte jeder sagen! 4 Obwohl ich mir nichts vorzuwerfen habe, muss ich mir diesen Hohn gefallen lassen, den meine eigenen Freunde auf mich schütten. Ich schrei zu Gott, der mich sonst stets erhörte! 5 Wer Schaden hat, muss für den Spott nicht sorgen; das tun die anderen, denen alles glückt. Und wer schon wankt, bekommt noch einen Tritt. 6 Die Unheilstifter leben stets in Frieden; wer Gott zum Zorn reizt, ist in Sicherheit. Sie haben es geschafft, Gott einzufangen. 7 Du kannst das Vieh und auch die Vögel fragen, sie würden dir die rechte Auskunft geben. 8 Die Erde sagt es dir, wenn du sie fragst, die Fische wüssten es dir zu erzählen. 9 Die ganze Schöpfung weiß es, spricht es aus: ›Dies alles hat die Hand des Herrn Herrn gemacht!‹ 10 Von seiner Macht hängt jedes Leben ab, der Atem aller Menschen kommt von ihm. 11 Der Gaumen prüft, ob eine Speise schmeckt; genauso muss das Ohr die Worte prüfen. 12 Es heißt, die alten Leute hätten Weisheit, ihr hohes Alter gäbe ihnen Einsicht. 13 Bei Gott ist wirklich Weisheit, Rat und Einsicht und auch die Macht, Geplantes auszuführen. 14 Was Gott in Trümmer legt, baut niemand auf; wen er gefangen setzt, der kommt nicht frei. 15 Hält er den Regen auf, wird alles trocken; lässt er ihn los, zerwühlt die Flut das Land. 16 Gott hat die Macht und überlegenes Wissen, Verführte und Verführer sind sein Werk. 17 Die klugen Ratsherrn lässt er ratlos werden, die Rechtsgelehrten leere Sprüche reden. 18 Die Fesseln harter Herrscher löst er auf und führt sie selber in Gefangenschaft. 19 Sogar den Priestern nimmt er Amt und Würden; die ältesten Geschlechter löscht er aus. 20 Berühmte Redner bringt er jäh zum Schweigen, den Alten nimmt er ihre Urteilskraft. 21 Gott lässt Geachtete verächtlich werden und starke Helden macht er plötzlich wehrlos. 22 Er zieht die dunkle Decke von den Tiefen und bringt die Finsternis ins helle Licht. 23 Gott lässt Nationen wachsen und vergehen, er macht sie stark – und tilgt sie wieder aus. 24 Aus ihren Führern lässt er Narren werden, die keinen Weg mehr aus der Wüste finden, 25 die ohne Licht im Dunkeln um sich tasten und sich verirren wie Betrunkene.
Hiob 11, 1 Da sagte Zofar von Naama: 2 »Soll dieser Unsinn ohne Antwort bleiben? Hat einer Recht, nur weil er dauernd redet? 3 Meinst du, dass dein Geschwätz uns mundtot macht, wir auf dein Spotten nichts erwidern können? 4 Du hast behauptet, was du sagst, sei wahr, vor Gottes Augen seist du ohne Schuld. 5 Ich wünschte nur, dass Gott jetzt selber spräche und dir darauf die rechte Antwort gäbe! 6 Er würde dir sein Handeln offenbaren, das unserm Wissen unbegreiflich ist. Dann würdest du sehr schnell zur Einsicht kommen, wie viel von deiner Schuld dir Gott erlässt. 7 Die Tiefen Gottes, kannst du sie ergründen? Kennst du die Größe des Gewaltigen? 8 Gott reicht noch höher als der Himmelsdom, zu dessen Grenze du nie hingelangst. Gott reicht noch tiefer als die Totenwelt, von der du doch so gut wie gar nichts weißt. 9 Gott ist viel größer als die ganze Erde, viel breiter als das ganze weite Meer. 10 Holt er den Schuldigen vor sein Gericht, so gibt es niemand, der ihn daran hindert. 11 Er kennt die Taugenichtse und ihr Treiben, das Unrecht kann sich nicht vor ihm verstecken. 12 Jedoch ein Dummkopf kommt erst dann zur Einsicht, wenn wilde Esel zahm geboren werden! 13 Du, Ijob, musst dein Herz zu Gott hinwenden und deine Hände ihm entgegenstrecken. 14 Doch reinige sie erst von allem Unrecht und lass in deinem Haus nichts Böses zu. 15 Dann kannst du frei von Schuld den Blick erheben; dann stehst du fest und brauchst dich nicht zu fürchten. 16 Das Unheil, das dich traf, kannst du vergessen wie Wasserfluten, die verlaufen sind. 17 Dein Leben zeigt sich dann in neuem Licht und strahlt noch heller als die Mittagssonne; nach aller Dunkelheit kommt Morgenglanz. 18 Du lebst in Sicherheit, mit neuer Hoffnung; du bist beschämt, doch kannst du ruhig schlafen. 19 In deinem Frieden wird dich niemand stören, doch viele werden kommen, dir zu schmeicheln. 20 Den Bösen aber bleibt nur die Verzweiflung, sie suchen Zuflucht, ohne sie zu finden, und ihre einzige Hoffnung ist der Tod.«
Hiob 10, 1 Es ekelt mich vor diesem ganzen Leben, drum halt ich meine Klage nicht zurück; es muss heraus, was mich verzweifeln lässt! 2 Du kannst mich doch nicht einfach schuldig sprechen! Gott, sag mir jetzt, was wirfst du mir denn vor? 3 Was bringt es dir, dass du so grausam bist? Verachtest du, was du geschaffen hast, und lässt gelingen, was Verbrecher planen? 4 Siehst du denn auch nicht mehr, als Menschen sehen, und urteilst so beschränkt, wie wir es tun? 5 Dein Leben ist doch nicht wie unser Leben, du zählst es nicht wie wir nach kurzen Jahren. 6 Was suchst du dann so eilig meine Schuld und spürst voll Eifer meinen Sünden nach, 7 obwohl du weißt, dass ich nicht schuldig bin und niemand mich aus deiner Hand errettet? 8 Mit deinen Händen hast du mich gestaltet und nun verschlingst du mich mit Haut und Haar. 9 Vergiss es nicht: Du formtest mich wie Ton. Willst du mich jetzt in Staub zurückverwandeln? 10 Wie Milch hast du mich damals hingegossen, im Mutterleib mich Form annehmen lassen. 11 Mit Haut und Muskeln hast du mich umgeben, aus Knochen und aus Sehnen mich geflochten. 12 Das Leben gabst du mir und deine Liebe; dein Schutz bewahrte meinen Lebensgeist. 13 Und doch, ich weiß, dass du bei alledem ganz im Geheimen etwas anderes plantest: 14 Du wolltest sehen, ob ich schuldig würde, um mir dann jeden Fehler vorzuhalten. 15 Tu ich nun Unrecht, so ergeht's mir schlecht. Tu ich das Rechte, lässt du's auch nicht gelten. Von Schmach und Schande bin ich wie benommen. 16 Gelingt mir etwas und ich fühle Stolz, so machst du wie ein Löwe Jagd auf mich und ängstigst mich mit deiner Übermacht. 17 Dir fehlt es nie an Zeugen gegen mich, damit du Grund hast, mir noch mehr zu grollen und immer neue Strafen zu verhängen.
Hiob 9, 2 »So ist es! Daran gibt es keinen Zweifel: Kein Mensch kann Recht behalten gegen Gott! 3 Bekäm er Lust, mit Gott zu prozessieren, so würde der ihm tausend Fragen stellen, auf die er auch nicht eine Antwort weiß. 4 Gott ist so reich an Weisheit, Macht und Stärke! Wer kann es wagen, ihm die Stirn zu bieten? Er käme nicht mit heiler Haut davon! 5 Ganz unversehens rückt Gott Berge fort, und wenn er zornig wird, zerstört er sie. 6 Gott stößt die Erde an und sie erbebt; die Pfeiler, die sie tragen, lässt er schwanken. 7 Wenn er's befiehlt, scheint keine Sonne mehr, die Sterne kann er hindern aufzugehen. 8 Allein hat Gott den Himmel ausgespannt, nur er kann über Meereswellen schreiten. 9 Gott schuf den Großen Bären, den Orion, das Siebengestirn, den Sternenkranz des Südens. 10 Gott ist's, der Wunder tut, unzählbar viele, so groß, dass wir sie nicht verstehen können. 11 Gott geht an mir vorbei – ich seh ihn nicht, ich merke nicht, wie er vorübergeht. 12 Er rafft hinweg und niemand hindert ihn. Wer wagt zu fragen: ›He, was machst du da?‹ 13 Gott muss nicht seinen Zorn in Schranken halten, selbst Rahabs Helfer hatten sich zu beugen.
Hiob 8, 1 Da sagte Bildad von Schuach: 2 »Wie lange willst du solche Reden führen? Wann hörst du auf, hier so viel Wind zu machen? 3 Denkst du im Ernst, dass Gott das Recht verdreht? Meinst du, er hält sich nicht an sein Gesetz? 4 Nein, deine Kinder haben sich versündigt, drum hat er sie bestraft, wie sie's verdienten. 5 Du solltest dich bemühen, Gott zu suchen, ihn, den Gewaltigen, um Gnade bitten. 6 Denn wenn du wirklich rein und schuldlos bist, wird er dir ganz gewiss zu Hilfe kommen und dir Besitz und Kinder wiedergeben. 7 Was früher war, wird dir gering erscheinen, wenn du am Ende Gottes Segen siehst. 8 Frag nach der Weisheit früherer Geschlechter! Was sie entdeckten, solltest du dir merken. 9 Wir leben erst seit gestern, wissen nichts, wie Schatten schwinden unsre Erdentage. 10 Die Väter aber können dich belehren aus ihrem Schatz gesammelter Erfahrung: 11 Nur wo es sumpfig ist, kann Schilfrohr wachsen; nur wo es Wasser gibt, wächst Riedgras auf; 12 doch ist das Wasser fort, verdorren sie, eh du sie schneiden und verwerten kannst. 13 So geht es allen, die nach Gott nicht fragen. Wer ohne Gott lebt, dem bleibt keine Hoffnung! 14 Denn seine Sicherheit gleicht einem Faden und sein Vertrauen einem Spinnennetz: 15 Wenn du dich darauf stützt, dann gibt es nach; hältst du dich daran fest, so hält es nicht. 16 Im Sonnenlicht wächst er wie eine Pflanze, die Ranken wuchern überall im Garten, 17 die Wurzeln sind verflochten zwischen Steinen und bohren sich hinab bis zu den Felsen. 18 Doch wenn du sie dann aus dem Boden reißt, weiß niemand mehr, wo sie gestanden hat. 19 Genauso sieht das Glück der Bösen aus! An ihrer Stelle kommen andere hoch. 20 Die Unbescholtenen verlässt Gott nicht; doch Übeltätern steht er niemals bei. 21 Bestimmt wird er dich wieder lachen lassen und deinen Mund mit frohem Jubel füllen. 22 Doch deine Feinde ernten Schmach und Schande, die Heimstatt solcher Menschen muss vergehn.«
Hiob 7, 1 Sein ganzes Leben muss der Mensch sich quälen, für große Mühe gibt's geringen Lohn. 2 Er gleicht dem Sklaven, der nach Schatten lechzt, dem Knecht, der sehnlich auf den Abend wartet. 3 Auch mir ist solch ein Los zuteil geworden: Sinnlos vergeht ein Monat nach dem andern, und Nacht für Nacht verbringe ich mit Schmerzen. 4 Leg ich mich nieder, schleppen sich die Stunden; ich wälze mich im Bett und kann nicht schlafen und warte ungeduldig auf den Morgen. 5 Mein Körper fault und ist bedeckt mit Krusten, die Haut bricht auf und eitert überall. 6 Ganz ohne Hoffnung schwinden meine Tage, sie eilen schneller als ein Weberschiffchen. 7 Gott, denk an mich: Mein Leben ist ein Hauch; mein Glück vergeht, ich seh es nie mehr wieder! 8 Noch siehst du mich, doch bald ist es zu spät; blickst du dann wieder her, so bin ich fort. 9 Die Wolke löst sich auf und ist verschwunden; genauso geht's dem Menschen, wenn er stirbt: Vom Ort der Toten kommt er nicht zurück. 10 Nie mehr betritt auf Erden er sein Haus, und wer ihn kannte, wird ihn bald vergessen. 11 Deswegen werde ich den Mund nicht halten, ich lasse meiner Zunge freien Lauf. Was mich so bitter macht, das muss heraus! 12 Weshalb, Gott, lässt du mich so streng bewachen? Bin ich das Meer? Bin ich ein Ungeheuer? 13 Wenn ich auf meinem Lager Ruhe suche, der Schlaf mir meine Schmerzen lindern soll, 14 dann quälst du mich mit schauerlichen Träumen und ängstigst mich mit schlimmen Schreckensbildern. 15 Mir wär es lieber, wenn du mich erwürgtest; der Tod ist besser als ein solches Leben! 16 Ich bin es satt, ich mag nicht weiter kämpfen. Mein ganzes Leben ist doch ohne Sinn. 17 Warum nimmst du den Menschen denn so wichtig, dass du den Blick auf ihn gerichtet hältst? 18 Zur Rechenschaft ziehst du ihn jeden Morgen und stellst ihn immer wieder auf die Probe. 19 Wann blickst du endlich weg, lässt mich in Ruhe, so lang nur, dass ich einmal schlucken kann? 20 Wenn ich gesündigt habe ohne Wissen, was tat ich dir damit, du Menschenwächter? Warum bin ich das Ziel für deine Pfeile? Bin ich dir wirklich so zur Last gefallen? 21 Kannst du denn meine Fehler nicht verzeihen und meine Sünde einfach übersehen? Nicht lange mehr, dann liege ich im Staub, und suchst du mich, so bin ich nicht mehr da.«
Hiob 6, 1 Ijob antwortete: 2 »Wenn jemand meinen Kummer wiegen wollte und meine Leiden auf die Waage legte – 3 sie wären schwerer als der Sand am Meer. Was Wunder, wenn ich wirre Reden führe! 4 Die Pfeile Gottes haben mich getroffen und meinen Geist mit ihrem Gift verstört. Die Schrecken Gottes haben mich umzingelt, ein Heer von Feinden, aufmarschiert zur Schlacht. 5 Kein Esel schreit auf saftig grüner Weide und jeder Stier ist still, hat er sein Futter. 6 Doch wer mag ungesalzne Speisen essen? Wem schmeckt der weiße Schleim von einem Ei? 7 Wie solche Nahrung mir ein Ekel ist, genauso ungenießbar ist mein Leid! 8 Warum gibt Gott mir nicht, was ich erbitte? Und warum tut er nicht, worauf ich warte? 9 Wenn er sich doch entschlösse, mich zu töten und mir den Lebensfaden abzuschneiden! 10 Darüber würde ich vor Freude springen, das wäre mir ein Trost in aller Qual. Was er, der Heilige, befohlen hat, dagegen hab ich niemals rebelliert. 11 Woher nehm ich die Kraft, noch auszuhalten? Wie kann ich leben ohne jede Hoffnung? 12 Ist etwa meine Kraft so fest wie Stein? Sind meine Muskeln denn aus Erz gemacht? 13 Ich selber weiß mir keine Hilfe mehr, ich sehe niemand, der mich retten könnte. 14 Wer so am Boden liegt, braucht treue Freunde, dass er nicht aufhört, sich an Gott zu halten. 15 Doch ihr enttäuscht mich wie die Steppenflüsse, die trocken werden, wenn es nicht mehr regnet. 16 Wenn Eis und Schnee in Frühjahrswärme schmelzen, dann sind die Flüsse voll von trübem Wasser; 17 doch in der Sommerhitze schwinden sie, ihr Bett liegt leer und trocken in der Glut. 18 Die Karawanen biegen ab vom Weg und folgen ihnen, sterben in der Wüste. 19 Aus Tema und aus Saba kamen sie, sie spähten aus, sie wollten Wasser finden. 20 Doch ihr Vertrauen wurde nicht belohnt: An leeren Flüssen endete die Hoffnung. 21 Für mich seid ihr genau wie diese Flüsse: Weil ihr mein Unglück seht, weicht ihr zurück. 22 Hab ich vielleicht um ein Geschenk gebeten, müsst ihr für mich denn irgendwen bestechen? 23 Sollt ihr Erpressern Lösegelder zahlen, um mich aus ihren Händen freizukaufen? 24 Belehrt mich doch, dann will ich gerne schweigen. Wo hab ich mich vergangen? Sagt es mir! 25 Durch Wahrheit bin ich leicht zu überzeugen, doch euer Redeschwall beweist mir nichts! 26 Wollt ihr mich wegen meiner Worte tadeln und merkt nicht, dass Verzweiflung aus mir spricht? 27 Ihr würdet noch um Waisenkinder würfeln und euren besten Freund für Geld verschachern! 28 Seht mir doch einmal richtig in die Augen! Wie käme ich dazu, euch anzulügen? 29 Hört auf zu richten, seid nicht ungerecht! Noch habe ich das Recht auf meiner Seite! 30 Ich gehe nicht zu weit mit meinen Worten, ich kann doch Recht und Unrecht unterscheiden!
Hiob 5, 6 Des Menschen Unglück wächst nicht aus der Erde, und was ihm Not macht, trifft ihn nicht von außen. 7 Aus seinem eigenen Wesen kommt das Leid, so wie der Funkenwirbel aus dem Feuer. 8 Ging's mir wie dir, ich wüsste, was ich täte: Ich brächte meine ganze Not vor Gott. 9 Er ist's, der Wunder tut, unzählbar viel, so groß, dass wir sie nicht verstehen können. 10 Er lässt den Regen auf die Erde fallen, damit das Wasser alle Felder tränkt. 11 Wer niedrig ist, den hebt er hoch hinauf; wer weint und klagt, den lässt er Freude finden. 12-13 Er fängt die Listigen mit ihrer List; was ihre klugen Köpfe stolz ersinnen, das stellt er auf den Kopf und macht's zunichte. 14 Am hellen Mittag schlägt er sie mit Blindheit und lässt sie tappen wie in dunkler Nacht. 15 Er hilft den Schwachen, schützt sie vor Verleumdung und reißt sie aus der Hand der Unterdrücker. 16 Den Armen gibt er Zuversicht und Hoffnung, jedoch den Bösen wird das Maul gestopft. 17 Wie glücklich ist der Mensch, den Gott zurechtweist! Wenn er dich jetzt erzieht, lehn dich nicht auf! 18 Die Wunden, die er schlägt, verbindet er; denn seine Hand schlägt zu, doch heilt sie auch. 19 Sooft dich auch das Unglück treffen mag, er wird dir helfen und dem Schaden wehren. 20 In Hungerzeiten hält er dich am Leben, im Krieg lässt er das Schwert nicht an dich kommen. 21 Er schützt dich vor dem Zischeln böser Zungen; du musst nichts fürchten, wenn das Unheil naht. 22 Gewalt und Hunger kannst du stolz verlachen; vor wilden Tieren hast du keine Angst. 23 Auch auf dem freien Felde bist du sicher und jedes Raubtier lässt dich dort in Frieden. 24 In Haus und Hof bleibt alles unversehrt, auf deinen Weideplätzen fehlt kein Tier. 25 Du siehst, wie deine Kinderschar sich mehrt, so zahlreich wie die Halme auf der Wiese. 26 In hohem Alter kommst du dann ins Grab, so wie man Korn erst einfährt, wenn es reif ist. 27 Das alles, Ijob, haben wir erforscht. Du solltest es dir merken, denn es stimmt!«
Hiob 4, 1 Jetzt nahm Elifas von Teman das Wort: 2 »Erträgst du es, wenn ich dir etwas sage? Ich kann beim besten Willen nicht mehr schweigen! 3 Du hast doch viele Menschen unterwiesen und schlaff gewordene Hände stark gemacht. 4 Wenn jemand strauchelte, du halfst ihm auf, den weichen Knien gabst du Halt und Kraft. 5 Jetzt, wo du selber dran bist, wirst du schwach und kannst dem Unglück nicht ins Auge sehen. 6 Hast du nicht Gott zu jeder Zeit geehrt? War nicht dein Leben frei von jedem Tadel? Dann könntest du doch Mut und Hoffnung haben! 7 Denk einmal nach: Ging je ein Mensch zugrunde, der treu und ehrlich war und ohne Schuld? 8 Ich kann nur sagen, was ich selber sah: Da pflügen Leute auf dem Feld der Bosheit, sie säen Unheil – und das ernten sie! 9 Die solches tun, erregen Gottes Zorn, der sie hinwegfegt wie ein heißer Sturm. 10 Die Unheilstifter brüllen wie die Löwen, doch Gott bricht ihnen alle Zähne aus. 11 Sie gehen ein wie Löwen ohne Beute und ihre Kinder werden weit zerstreut. 12 Ganz heimlich ist ein Wort zu mir gekommen, wie leises Flüstern drang es an mein Ohr, 13 so wie ein Traum den Menschen überfällt und ihm die Ruhe seines Schlafes raubt. 14 Das Grauen packte mich, ließ mich erschaudern, ich zitterte vor Angst an allen Gliedern. 15 Ein kalter Hauch berührte mein Gesicht, die Haare sträubten sich mir vor Entsetzen. 16 Vor meinen Augen sah ich etwas stehen, doch konnt' ich nicht erkennen, was es war, und eine leise Stimme hörte ich: 17 ›Wie kann ein Mensch vor seinem Gott bestehen? Wie kann er schuldlos sein vor seinem Schöpfer? 18 Gott traut nicht einmal seinen eigenen Dienern, selbst seinen Engeln wirft er Fehler vor. 19 Meinst du, er traute dem Geschöpf aus Lehm, das aus dem Staub hervorgegangen ist, das man zerdrücken kann wie eine Motte?‹ 20 Am Morgen munter, sind sie abends tot, sie gehen dahin für immer, unbeachtet. 21 Wenn Gott die Seile ihres Zeltes löst, ist ihre Zeit vorbei, sie müssen fort.