Die kleine Hexe auf dem Besenstiel – bei den meisten Menschen dürften bei diesem Bild schöne Kindheitserinnerungen aufkommen. Weniger bekannt ist aber wahrscheinlich, dass das Bild der Hexe auf dem Besenstiel eine durch Pflanzenextrakte ausgelöste Halluzination ist. Denn eine auf den Besenstiel aufgetragene Salbe, die u. a. das stark halluzinogen wirkende Bilsenkraut enthält, kommt durch das Reiten in Kontakt mit den intimsten Körperstellen, wird dadurch vom Körper aufgenommen und verursacht die Sinnestäuschung des Fliegens – deshalb auch der Name Hexen- oder Flugsalbe. Und die eindeutige sexuelle Konnotation dieses Bildes ist sicher nicht kinderbuchfähig, die Hexen fliegen ja mit ihren Besen auf den Blocksberg, um dort wilde Orgien zu feiern. Die halluzinogene Wirkung etlicher Pflanzenextrakte ist wahrscheinlich bekannt seit es die Menschheit gibt und wurde stets zu kultischen Zwecken genutzt. Sei es das Meskalin des Peyote Kaktus oder das Ayahuasca der indigenen Bewohner_innen der Amazonasregion – diese Substanzen werden seit Jahrhunderten im Rahmen spiritueller Rituale zur Bewusstseinserweiterung eingesetzt. In unseren Breiten am besten bekannt ist der Fliegenpilz und die „magic mushrooms“, aber die Zahl der halluzinogen wirkenden Pflanzen ist fast unübersehbar: Bilsenkraut, Alraune, Tollkirsche, Engelstrompete usw. Etliche dieser Substanzen haben sich einen Platz in der Medizin erobert – das Atropin der Tollkirsche z. B., aber neuerdings auch das Psylocibin der „magic mushrooms“, das sich gerade eine Rolle in der Behandlung depressiver Erkrankungen erobert. Aber heute werden all diese Extrakte überwiegend als „Lifestyle“ Drogen zu einer Bewusstseinserweiterung in unbekannte Sphären eingenommen – mit dem Risiko übler und z. T. lebensgefährlicher Nebenwirkungen. Die wundersamen Effekte dieser Pflanzen faszinieren naturgemäß auch etliche Kunstschaffende, dem wollen wir in dieser Folge unseres Podcasts nachspüren. Mit Literaturbeispielen u. a. von Grimmelshausen, Shakespeare über Goethe bis zu Günter Grass und Musik u. a. von Gesualdo, Purcell über Johannes Brahms bis zu Olivier Messiaen und Karlheinz Stockhausen möchten wir sie gerne verzaubern, ohne sie auf einen Horrortrip zu schicken. Wir wünschen viel Spaß beim Hören und würden uns über Feedback sehr freuen.
Das Gestern und Morgen vergessen, nur im Heute leben und den Augenblick genießen… kennen Sie das, löst dieser Gedanke lustvolle Gefühle bei Ihnen aus? Einen glücklichen Moment zu genießen oder einen Rausch des Augenblicks zu erleben ist wohl manchmal ein Bedürfnis jedes Menschen, auch wenn dies für Faust in Goethes Hauptwerk des Teufels ist, wenn er zu Mephisto sagt: „Werd ich zum Augenblicke sagen: / Verweile doch! Du bist so schön! / Dann magst du mich in Fesseln schlagen, / Dann will ich gern zugrunde gehn!“
Francis Picabia – einer der Mitbegründer des Dadaismus - setzte einen Kontrapunkt zu Faust: „Leben ohne Morgen. Das Leben des Heute, alles für heute, nichts für gestern, nichts für morgen.“ Ebenso war der Lebensstil der Hippies in den 60´er und 70´er Jahren des 20sten Jahrhunderts auf das Hier und Jetzt angelegt. Die oft durch LSD induzierte Bewusstseinsveränderung sollte Zugang zu verschütteten Bewusstseinsebenen schaffen und das Zeitempfinden aufheben. Der Zeitverlauf sollte seine Bedeutung verlieren. Das Verharren im Augenblick hat auch ohne Drogen etwas trance- bzw. rauschhaftes. Besonders im Zen-Buddhismus ist die meditative Kontemplation etwas ganz Zentrales, und diese Art der trancehaften Kontemplation hat Eingang in unsere westliche Kultur gefunden.
In der Musik ist Zeit definiert, sie ist organisierter Klang, organisiert durch die Komponierenden und organisiert in seiner zeitlichen Abfolge. In Musik und Literatur vergeht Zeit, manchmal gedehnt, manchmal gestaucht. Also kommen wir auch beim Klang des Augenblicks an der Zeit also dem Bezug zu Vergangenheit und Zukunft nicht vorbei. Man kann Klang für den Augenblick pressen oder dehnen, aber an der Zeit kommt man nicht vorbei. Diesen teilweisen widersprüchlichen Aspekten möchten wir in dieser Folge unseres Podcast nachspüren. Mit Literaturbeispielen u. a. von Gottfried Keller über Marcel Proust bis zu Jack Kerouac und Musik von Solage über Eric Satie, B. A. Zimmermann bis zu Dietmar Bonnen und der elektronischen Musik von Ludger Brümmer möchten wir Ihr Zeitgefühl aufheben und vielleicht auch Sie den Rausch des Augenblicks erleben lassen.
Erinnern Sie sich noch an Ihren letzten Rausch? Wurden Sie albern, zutraulich oder melancholisch? Oder kennen Sie etwa Menschen, die im Rausch enthemmt wurden oder gar zu Aggressivität neigten und die Grenzen des Anstands überschritten?
Auf jeden Fall macht ein Rausch etwas mit unserem Gehirn und unserer Psyche. Die Wahrnehmung ändert sich und die Bewertung unserer Wahrnehmungen. Diesen Phänomenen wollen wir in dieser Ausgabe unseres Podcasts punktuell nachgehen. Mag die Verzerrung der Wahrnehmung bei Halluzinogenen wie Mescalin oder LSD gewollt sein, so besteht bei etlichen Rauschdrogen die Gefahr des Abgleitens in den Wahn – in die drogeninduzierte Psychose, die, wie die vorgestellten literarischen Beispiele belegen, eben oft keine spannende Bewusstseinserweiterung ist sondern der blanke Horror.