
Wirtschaftskriminalität ist kein Randphänomen – sie betrifft jedes Unternehmen, unabhängig von Größe oder Branche. Doch wer sind die Menschen hinter den Delikten? Sind es die „bösen Masterminds“, die gezielt in Firmen eindringen? Oder eher die ganz normalen Mitarbeitenden, die in einer schwierigen Situation plötzlich schwach werden?
In dieser Folge von Fraudify – Fraud, Fakten, Leadership gehe ich dieser Frage nach und stelle euch ein faszinierendes Forschungsmodell vor: die Tätertypologie von Prof. Dr. Gerhard Blickle (Universität Bonn, vormals Universität Konstanz) und Dr. Andreas Schlegel (Universität Konstanz, später Bundeskriminalamt Wiesbaden). Die beiden haben in mehreren Studien seit 2006 hunderte verurteilte Wirtschaftsstraftäter analysiert und dabei ein klares Muster entdeckt. Ihre Arbeiten gehören zu den fundiertesten psychologisch-kriminologischen Untersuchungen im deutschsprachigen Raum.
👉 Zentrale Quellen:
Blickle, G., Schlegel, A., Fassbender, P., & Klein, U. (2006): Some Personality Correlates of Business White-Collar Crime. Applied Psychology, 55(2), 220–233.
Blickle, G., Schlegel, A., & Kramer, J. (2009): Personality and White-Collar Crime. Personality and Individual Differences, 46(2), 142–147.
Schlegel, A., Blickle, G., & Diekmann, C. (2019): Narcissism and the Propensity to Commit White-Collar Crime. Current Psychology, 38, 1–10.
Das Ergebnis dieser Forschung: Es gibt nicht den „typischen“ Wirtschaftsstraftäter, sondern drei verschiedene Typen – jeder mit eigenen Mustern, Motiven und Schwachstellen.
🔹 Der Gelegenheitstäter
Ganz normale Mitarbeitende, die in einer persönlichen Notlage spontan handeln – und durch eine offene Gelegenheit stolpern. Sie rationalisieren („Ich gebe es ja zurück“) und wären ohne die Lücke im System niemals kriminell geworden.
🔹 Der Gewohnheitstäter
Er beginnt oft als Gelegenheitstäter, entwickelt dann aber systematische Betrugsmodelle. Über Jahre baut er Strukturen auf, tarnt sich als Musterangestellter und sorgt dafür, dass niemand in „seinen Bereich“ Einblick bekommt. Sein Motto: Kontrolle ist Macht.
🔹 Der professionelle Täter
Die „Königsklasse“: strategisch, skrupellos, oft international vernetzt. Sie bewerben sich gezielt auf Schlüsselpositionen, fälschen Unterlagen, manipulieren Menschen und Systeme und kennen keine Skrupel, wenn es um Millionen geht. In den Medien begegnen wir ihnen oft – in der Realität sind sie zwar seltener, dafür aber besonders gefährlich.
🎯 Was heißt das für Unternehmen?
Jede Tätergruppe erfordert andere Präventionsmaßnahmen.
Gelegenheitstäter lassen sich durch einfache, wirksame Kontrollen stoppen – etwa Vier-Augen-Prinzipien oder eine offene Gesprächskultur.
Gewohnheitstäter brauchen systematische Funktionstrennungen, Rotation und analytisches Monitoring.
Professionelle Täter erfordern Backgroundchecks, unabhängige Revision und prozessunabhängige Kontrollen.
💡 Mein Fazit: Fraud Prevention ist kein Standardpaket – sie muss so differenziert sein wie die Täter selbst.
Die Forschung von Blickle und Schlegel zeigt eindrucksvoll, dass Psychologie und Kriminologie unverzichtbare Bausteine in der Betrugsprävention sind.
Am Ende dieser Folge bekommst du meine Top-3-Handlungsempfehlungen für den Umgang mit Tätertypologien in der Praxis. Denn: Auch wenn wir nicht jede Motivation kennen oder jede Persönlichkeit durchschauen – wir können systematisch Lücken schließen, Risiken reduzieren und Mitarbeitende sensibilisieren.
👉 Hör rein und erfahre, warum Gelegenheitstäter, Gewohnheitstäter und Profis so unterschiedlich ticken – und wie du dein Unternehmen gegen alle drei schützen kannst.