
Kinderkrippen existierten in der DDR seit den 1950er-Jahren und galten dort als modern und fortschrittlich. Schon ab dem Säuglingsalter wurden viele Kinder in staatlichen Tages-, Wochen- oder Dauereinrichtungen betreut. Besonders die Wochenkrippen stehen heute im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses, weil sich immer mehr ehemalige „Wochenkinder“ zu Wort melden und über psychische Folgen berichten, die sie bis ins Erwachsenenalter begleiten. In der alten BRD fehlte Kinderbetreuung nicht völlig, sie war aber stark begrenzt und gesellschaftlich wenig akzeptiert. Dauereinrichtungen wie Säuglingsheime existierten zunächst, doch nachdem in den 1960er-Jahren gravierende Hospitalisierungsschäden bei den Kindern festgestellt wurden, baute man diese Einrichtungen fast vollständig ab. Heute erscheint es kaum vorstellbar, wenige Wochen alte Babys in ein Heim zu geben. Betreuung von Vorschulkindern in Kindergärten allerdings ist für die meisten Familien in Deutschland heute mittlerweile Alltag und gesellschaftlich akzeptiert. Dennoch entzündet sich an den DDR-Kinderkrippen bis heute ein ideologischer Streit. Während sie den einen als Beleg für die Unmenschlichkeit der Diktatur gelten, betrachten andere sie weiterhin als fortschrittliches Modell, das es Müttern ermöglichte, früh wieder arbeiten zu gehen. Wir sprechen heute über dieses Thema mit Dr. Carolin Wiethoff.
Wiethoff studierte Neuere und Neueste Geschichte, Osteuropäische Geschichte und Volkskunde an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Allgemeine Erziehungswissenschaft der Universität Erfurt. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Bildungsgeschichte der DDR, Medizin in Diktaturen sowie die Geschichte der Sozialpolitik und der sozialen Sicherung in Deutschland. Bei De Gruyter ist im Juli das Buch Allein unter vielen Alltag, Ausbau und Krise der Kinderkrippen in der DDR 1950–1968 erschienen.