
Was ist schön und was ist hässlich? In der Kunst wie im echten Leben ist das oft eine Frage des subjektiven Geschmacks, fällt in der Betrachtung von Musik dann aber doch mit erstaunlicher Schlagseite in eine bestimmte Richtung. Denn hässliche Musik, so geben es uns viele ästhetische Ideale europäischer Klangtraditionen seit Jahrhunderten vor, ist schlechte Musik, Schönheit ist das über allem stehende und zu erreichende Ideal. Wir aber fragen uns zu Beginn der neuen Staffel von Tapas und Merlot: Kann ein Song nicht gerade auch wegen seiner Hässlichkeit herausragend sein? Als einschneidendes Fallbeispiel dient in dieser Debatte Lingua Ignotas "Caligula", ein Album, das mit dem Blick auf psychische und physische Gewalt nicht nur enorm unangenehme Themen verhandelt, sondern diese auch auf eine Weise vertont, wie sie der Hässlichkeit des Inhalts angemessen ist. Der virtuose Spagat zwischen der Bezugnahme auf die der immerwährenden Schönheit frönenden Orchestermusik und ihr gleichzeitiger Bruch durch exzeptionelle Noise-Fragmente sorgt dabei nicht nur für ein enorm eindringendes Hörerlebnis, sondern bietet auch Raum für viele Fragen. Können Künstler*Innen heute noch echte musikalische Skandale erzielen? Unterscheiden sich die Schönheitsideale in der Musik von anderen Kunstformen? Oder noch viel grundsätzlicher: Kann Kunst überhaupt hässlich sein?