Die Britin Florence Nightingale gilt als Begründerin der modernen Krankenpflege, Pionierin der evidenzbasierten Medizin und war eine der bemerkenswertesten Frauen ihrer Zeit.
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Kindheit, Bildung und familiäre Prägung
Florence Nightingale wuchs in einer wohlhabenden Familie des viktorianischen Englands auf. Als Tochter von William Nightingale und Frances Smith lebte Florence in komfortablen Landsitzen, wurde aber durch das Erbrecht von einer ökonomisch eigenständigen Zukunft ausgeschlossen – Heirat war für Töchter wie sie die gesellschaftliche Norm.
Florence Nightingale, ca. 1860 (Quelle: Wikipedia)
Bereits in jungen Jahren entwickelte Nightingale einen eigenen geistigen und ethischen Anspruch. Ihr Vater förderte ihre Bildung ungewöhnlich intensiv und Florence entwickelte eine Vorliebe für Mathematik und analytisches Denken. Weibliche Vorbilder fand sie in Frauen wie
Mary Somerville und
Ada Lovelace, die ebenfalls mit wissenschaftlichen Leistungen hervortraten.
Zwischen gesellschaftlichen Konventionen und religiöser Berufung
Die Epoche des viktorianischen Englands war geprägt von starren Geschlechterrollen und gesellschaftlichen Hierarchien. Nightingale strebte nach mehr als dem Leben der „braven Dame“, das ihre Mutter für sie vorgesehen hatte. Ihre starke religiöse Prägung und das intensive Nachdenken über soziale Gerechtigkeit motivierten sie, sich für bedürftige und kranke Menschen zu engagieren – der christliche Glaube wurde für sie zur Quelle von Engagement und ethischem Handeln. Florence Nightingale verstand sich als Mit-Arbeiterin Gottes. Dabei verband sie sogar Empirie mit Beten und führte als Kind ein Experiment zur Wirksamkeit des Betens mit wissenschaftlicher Methodik durch. Ihre Hoffnungen, die Wirksamkeit des Gebets auf diese Weise belegen zu können, wurde dabei leider enttäuscht.
Embley Park in Southampton, einer der beiden Landsitze der Familie Nightingale, ist heute ein Internat (Quelle: Wikipedia)
Link zu einem Video über Lea Hurst, dem Landsitz der Familie in Derbyshire (Der Link führt auf YouTube)
Der Weg zur Krankenpflege: Krisen, Reisen und Erfahrungen
Die Geschichte Florence Nightingales ist auch eine der Selbstfindung. Früh pflegte sie kranke Familienmitglieder und Angestellte. Ihre Erfahrungen mit schlechter Pflege und der Tod eines Cousins prägten sie nachhaltig und ließen in ihr den Wunsch entstehen, eine professionelle Ausbildung zu absolvieren. Die Bewerber um ihre Hand lehnte sie nach reiflicher Überlegung sehr zum Unmut ihrer Familie alle ab.
„Ich bin so froh, dass dieses Jahr vorbei ist; dennoch war es kein verschwendetes […] Ich habe meinen gesamten religiösen Glauben umgestaltet […] Ich habe meine sozialen Anschauungen neu gefasst […]Ich habe einen Plan für Paris geschmiedet […] Schlussendlich sind alle meine Bewunderer verheiratet […] Und hier stehe ich mit der ganzen Welt vor mir […] Dieses Jahr war eine Feuertaufe.” (F.N. 1852)
Begleitet und unterstützt durch Freunde, reiste sie durch Europa, lernte karitative Modelle in Frankreich, Italien und Deutschland kennen und absolvierte Hospitationen bei den Diakonissen in Kaiserswerth, die sie besonders inspirierten. Diese Reisen öffneten ihren Blick für internationale Entwicklungen und für die Notwendigkeit eigener Reformen im englischen Pflegesystem. Trotz Widerständen aus der Familie,