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Flurfunk Geschichte
Daniel und Solveig
60 episodes
6 days ago
Rom im Jahr 897: Auf dem päpstlichen Thron sitzt ein Mann, der seit Monaten tot ist.
Papst Formosus – einst Bischof, Diplomat und Pontifex – wurde aus seiner Gruft geholt, in päpstliche Gewänder gekleidet und vor ein kirchliches Gericht gezerrt. Ein Diakon übernimmt seine Verteidigung. Sein Ankläger ist sein Nachfolger: Stephan VI. und daher steht auch das Urteil in diesem Schauprozess schon vor Beginn fest, denn solange der verstorbene Formosus als Papst zählt, ist Stephans Wahl illegal. Das makabre Schauspiel geht als Leichensynode in die Geschichte ein. 

Rom in Aufruhr – zwischen Kaisern, Königen und Kirchenrecht

Die Ewige Stadt steht zu dieser Zeit am Beginn einer dunklen Zeit - des Saeculum obscurum. Die Macht des karolingischen Schutzherrn schwindet und italienische Familien gewinnen an Einfluss. Formosus musste zwischen ihnen lavieren: Als Papst stand er zwischen dem ostfränkischen König Arnulf von Kärnten, den er in Rom zum Kaiser krönte, und den einflussreichen Herzögen von Spoleto. Bereits Formosus' Vorgänger hatte jedoch die Widonen als mächstigstes Haus zu seinen neuen Schutzherrn und Lambert von Spoleto zum Kaiser gemacht. Wollte Stephan VI. also hier wieder die Seite wechseln?

Papst Stephan richtet sich selbst

Der Vorwurf an den verstorbenen Formosus lautet, er habe Eide gebrochen, Ämter doppelt bekleidet und sich unrechtmäßig des Stuhl Petri bemächtigt. Nach dem Urteil der Synode reißt man dem Leichnam die päpstlichen Gewänder vom Leib, schneidet seine Schwurfinger ab und wirft ihn schließlich in den Tiber. Nichts soll fortan an seine Existenz erinnern. Die Vorgänge waren offenbar bereits für viele Zeitgenossen schwer zu ertragen und Stephans Vorwürfe gegen Formosus fallen auf ihn selbst zurück. Nach nur zwei Monaten im Amt wird Stephan eingekerkert und schließlich getötet. 

Rücknahme, Gegenschlag, Wiederholung

Auf Stephans Tod folgt die Rehabilitierung des Formosus. Theodor II. ist kaum drei Wochen im Amt und schafft es doch, das Urteil aufzuheben. Der Leichnam des Formosus wird geborgen und erneut im Petersdom beigesetzt. Papst Johannes IX. bestätigt diese Entscheidung und lässt die Protokolle der Leichensynode verbrennen. Doch Sergius III. schlägt sich erneut auf die Gegenseite und lässt den Leichnam des Formosus erneut verstümmeln und in den Tiber werfen. Statt seiner gedenkt Sergius lieber dem Richter der Leichensynode und ehrt Stephan VI. mit einem Epitaph im Dom. So kommt es, dass Luitprand von Cremonain seiner Antapodosis Stephan und Sergius verwechselt. 

Der Bischof und seine Braut

Was nach Wahnsinn klingt, war in Wahrheit eine Reaktion auf ein juristisches Problem. Solveig zeigt, dass hinter dieser grotesken Handlung kein kollektiver Irrsinn stand, sondern ein Versuch, kirchenrechtliche Ordnung wiederherzustellen.
Formosus war einst Bischof von Porto, bevor er Papst wurde – ein Verstoß gegen das Translationsverbot, das einem Bischof untersagte, in ein anderes Bistum zu wechseln. Das ist der Kern der Anklage durch Stephan VI. Denn der hatte dasselbe Problem: Stephan war bereits Bischof von Anagni, bevor er Papst wurde und sorgte sich offenbar um seine Legitimität als Pontifex. Der nachträgliche Prozess gegen den Toten diente also dazu, das alte Bistum loszuwerden: Formosus hatte Stephan zum Bischof geweiht. Wenn dessen Papstum illegal war, dann wurden auch seine Weihen ungültig und Stephans Wahl rechtmäßig. 

Flurfunk verbindet – Bezüge zu früheren Folgen

Die Leichensynode hat Bezüge zu mehreren früheren Folgen, in denen wir bereits einige der Personen und die obskure Zeit des Frühmittelalters besprochen haben:

52 - Konklave - Machtkampf und heiliger Geist
48 - Irene von Athen und das Zwei-Kaiser-Problem
23 - Non habemus papessam

Kontakt und Unterstützung

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Wir freuen uns über Kommentare und Fragen an kontakt@flurfunk-geschichte.de
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Rom im Jahr 897: Auf dem päpstlichen Thron sitzt ein Mann, der seit Monaten tot ist.
Papst Formosus – einst Bischof, Diplomat und Pontifex – wurde aus seiner Gruft geholt, in päpstliche Gewänder gekleidet und vor ein kirchliches Gericht gezerrt. Ein Diakon übernimmt seine Verteidigung. Sein Ankläger ist sein Nachfolger: Stephan VI. und daher steht auch das Urteil in diesem Schauprozess schon vor Beginn fest, denn solange der verstorbene Formosus als Papst zählt, ist Stephans Wahl illegal. Das makabre Schauspiel geht als Leichensynode in die Geschichte ein. 

Rom in Aufruhr – zwischen Kaisern, Königen und Kirchenrecht

Die Ewige Stadt steht zu dieser Zeit am Beginn einer dunklen Zeit - des Saeculum obscurum. Die Macht des karolingischen Schutzherrn schwindet und italienische Familien gewinnen an Einfluss. Formosus musste zwischen ihnen lavieren: Als Papst stand er zwischen dem ostfränkischen König Arnulf von Kärnten, den er in Rom zum Kaiser krönte, und den einflussreichen Herzögen von Spoleto. Bereits Formosus' Vorgänger hatte jedoch die Widonen als mächstigstes Haus zu seinen neuen Schutzherrn und Lambert von Spoleto zum Kaiser gemacht. Wollte Stephan VI. also hier wieder die Seite wechseln?

Papst Stephan richtet sich selbst

Der Vorwurf an den verstorbenen Formosus lautet, er habe Eide gebrochen, Ämter doppelt bekleidet und sich unrechtmäßig des Stuhl Petri bemächtigt. Nach dem Urteil der Synode reißt man dem Leichnam die päpstlichen Gewänder vom Leib, schneidet seine Schwurfinger ab und wirft ihn schließlich in den Tiber. Nichts soll fortan an seine Existenz erinnern. Die Vorgänge waren offenbar bereits für viele Zeitgenossen schwer zu ertragen und Stephans Vorwürfe gegen Formosus fallen auf ihn selbst zurück. Nach nur zwei Monaten im Amt wird Stephan eingekerkert und schließlich getötet. 

Rücknahme, Gegenschlag, Wiederholung

Auf Stephans Tod folgt die Rehabilitierung des Formosus. Theodor II. ist kaum drei Wochen im Amt und schafft es doch, das Urteil aufzuheben. Der Leichnam des Formosus wird geborgen und erneut im Petersdom beigesetzt. Papst Johannes IX. bestätigt diese Entscheidung und lässt die Protokolle der Leichensynode verbrennen. Doch Sergius III. schlägt sich erneut auf die Gegenseite und lässt den Leichnam des Formosus erneut verstümmeln und in den Tiber werfen. Statt seiner gedenkt Sergius lieber dem Richter der Leichensynode und ehrt Stephan VI. mit einem Epitaph im Dom. So kommt es, dass Luitprand von Cremonain seiner Antapodosis Stephan und Sergius verwechselt. 

Der Bischof und seine Braut

Was nach Wahnsinn klingt, war in Wahrheit eine Reaktion auf ein juristisches Problem. Solveig zeigt, dass hinter dieser grotesken Handlung kein kollektiver Irrsinn stand, sondern ein Versuch, kirchenrechtliche Ordnung wiederherzustellen.
Formosus war einst Bischof von Porto, bevor er Papst wurde – ein Verstoß gegen das Translationsverbot, das einem Bischof untersagte, in ein anderes Bistum zu wechseln. Das ist der Kern der Anklage durch Stephan VI. Denn der hatte dasselbe Problem: Stephan war bereits Bischof von Anagni, bevor er Papst wurde und sorgte sich offenbar um seine Legitimität als Pontifex. Der nachträgliche Prozess gegen den Toten diente also dazu, das alte Bistum loszuwerden: Formosus hatte Stephan zum Bischof geweiht. Wenn dessen Papstum illegal war, dann wurden auch seine Weihen ungültig und Stephans Wahl rechtmäßig. 

Flurfunk verbindet – Bezüge zu früheren Folgen

Die Leichensynode hat Bezüge zu mehreren früheren Folgen, in denen wir bereits einige der Personen und die obskure Zeit des Frühmittelalters besprochen haben:

52 - Konklave - Machtkampf und heiliger Geist
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FG052 - Konklave - Machtkampf und Heiliger Geist
Flurfunk Geschichte
2 hours 45 minutes 38 seconds
6 months ago
FG052 - Konklave - Machtkampf und Heiliger Geist
In der längsten Folge unserer Geschichte nehmen wir euch mit auf eine Reise nach Rom und hinter die Mauern des Vatikans – dorthin, wo seit Jahrhunderten einer der geheimnisvollsten Wahlvorgänge der Weltgeschichte stattfindet: die Papstwahl im Konklave.

Filmkritik: Konklave (2024) – Intrigen im Vatikan

Natürlich waren wir auch im Kino und haben uns den Film „Konklave“ (2024), angeschaut. Der hat schließlich zwar nur einen Oscar bekommen, uns aber größtenteils überzeugt. Der Film schildert ein fiktiv-historisch inspiriertes Papstwahlverfahren im Stile eines politischen Thrillers – mit viel Symbolik, religiösem Ernst und einer Prise Vatikan-Intrige. 
Wir kommentieren nicht nur die filmische Umsetzung, sondern vergleichen sie auch mit realen historischen Ereignissen und dem tatsächlichen Ablauf eines Konklaves. 

Vom Chaos zur Ordnung – Die Entwicklung der Papstwahlen

Anfangs war die Papstwahl kaum geregelt. Der neue Bischof von Rom wurde oft einfach durch Akklamation bestimmt – also durch Zuruf des Klerus oder sogar des Volkes. In dieser frühen Phase konnte die römische Aristokratie massiven Einfluss ausüben. Das führte zu einer Epoche, die rückblickend als sogenannte Pornokratie (10. Jahrhundert) bezeichnet wird – geprägt durch Skandale, Vetternwirtschaft und Frauen wie Marozia, die massiven Einfluss auf die Papstwahl nahmen. Die Lebenserwartung von Päpsten wurde durch diese Machtkämpfe drastisch verkürzt.

Vom Chaos zur Ordnung: Das Kardinalskollegium entsteht

Als Reaktion auf diese Missstände begann man, die Wahlrechte einzuschränken. Im 11. Jahrhundert wurde das Kardinalskollegium als exklusiver Wahlkörper etabliert. Das Papstwahldekret von Papst Nikolaus II. (1059) legte erstmals fest, dass nur die Kardinäle den Papst wählen dürfen. Eine radikale Änderung – der Einfluss weltlicher Mächte wurde damit beschnitten.
Diese Maßnahmen waren Teil der Reformbewegungen, die sich auch gegen die Laieninvestitur richteten. Die Kirche wollte sich von politischer Einflussnahme emanzipieren – Dazu gibt es mehr in unserer Folge zum Gang nach Canossa!.

Das Papstwahldekret und das Konklave von Viterbo

Ein dramatisches Beispiel für einen völlig aus dem Ruder gelaufenen Wahlprozess war das Konklave von Viterbo (1268–1271), das sich über fast drei Jahre zog. Die Kardinäle konnten sich nicht einigen – die Bevölkerung verlor die Geduld, schloss die Kardinäle ein, entfernte das Dach des Palastes und kürzte die Essensrationen. Aus dieser Episode ging schließlich Papst Gregor X. hervor – und mit ihm die verbindliche Einführung des Konklave (lat. cum clave – „mit Schlüssel“).
Das bedeutete: Einschluss, Isolation, Geheimhaltung – bis zur Entscheidung. Ein System, das seither immer wieder angepasst, aber nie vollständig aufgegeben wurde.

Universi Dominici Gregis – Regeln für das moderne Konklave

Die bis heute geltenden Grundlagen stammen aus dem 20. Jahrhundert: Papst Pius XII., Johannes XXIII. und Paul VI. entwickelten die Regeln weiter – etwa die Altersgrenze von 80 Jahren für wahlberechtigte Kardinäle. Die definitive Kodifizierung kam mit Papst Johannes Paul II. und seiner Konstitution Universi Dominici Gregis (1996). 
Heute gelten dabei u. a.:
  • Absolute Geheimhaltung – inklusive technischer Maßnahmen gegen Abhörversuche
  • Die Wahl erfolgt geheim und nur durch das Kardinalskollegium (max. 120 wahlberechtigte Kardinäle)
  • Vier Wahlgänge pro Tag
  • Schwarzer Rauch = keine Wahl, weißer Rauch = Habemus Papam
Prominente Konklaven & heutige Symbolik

Natürlich kommen wir auch auf die letzten Konklaven zu sprechen – wie jenes von 2005 nach dem Tod von Johannes Paul II., aus dem Benedikt XVI. hervorging, und die Wahl von Papst Franziskus 2013. Letzterer war der erste Jesuit und der erste Papst aus Lateinamerika.
Besprochen werden auch die Rituale, Symbole und die geheimnisvolle Atmosphäre des Konklaves – von den Eidesleistungen über das Extra omnes! bis zum weißen Rauch, der die Welt wissen lässt: Ein neuer Pontifex ist gewählt.


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Formosus war einst Bischof von Porto, bevor er Papst wurde – ein Verstoß gegen das Translationsverbot, das einem Bischof untersagte, in ein anderes Bistum zu wechseln. Das ist der Kern der Anklage durch Stephan VI. Denn der hatte dasselbe Problem: Stephan war bereits Bischof von Anagni, bevor er Papst wurde und sorgte sich offenbar um seine Legitimität als Pontifex. Der nachträgliche Prozess gegen den Toten diente also dazu, das alte Bistum loszuwerden: Formosus hatte Stephan zum Bischof geweiht. Wenn dessen Papstum illegal war, dann wurden auch seine Weihen ungültig und Stephans Wahl rechtmäßig. 

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