
Wie kann man ein ganzes Land digitalisieren? Und was für Parallelen gibt es da zum regulierten und pharmazeutischen Umfeld?
Darüber spricht Christof Layher, Host vom ChaosHacker-Talk diesmal mit Björn Beck. Der leitet das Innovationslabor von Baden-Württemberg und war früher mal Richter.
Der Verwaltungsapparat hat viele Parallelen zur Life Science-Branche – beide sind stark reguliert.
Und diese Regularien kommen nicht von irgendwoher, sondern es gibt sie, weil es einen Geschäftspartner (in diesem Fall die Patient:innen oder die Bürger:innen) gibt, die darauf angewiesen sind, dassordentlich gearbeitet wird. Dazu gehört auch eine gewisse Sicherheit bei den Daten.
Außerdem eint die beiden Branchen, dass man um sie „nicht rumkommt“. In anderen Branchen kann man sich für einen Player entscheiden, bei der Verwaltung gibt es die Möglichkeit nicht, in der Pharma ist die Entscheidungsvielfalt sehr begrenzt.
Björn erzählt, dass die Bandbreite der Kundschaft sehr weit ist, vonIT-affinen Digital Natives bis zum Senior, die mit ihrem Handy nicht so gut klarkommen. Die tun sich mit Digital Only oder Digital First sehr schwer.
Und die darf man nicht zurücklassen!
Durch die Entbindung der Mitarbeitenden von automatisierbaren Arbeiten entsteht so mehr Raum, um sich um die menschlichen Themen zu kümmern.
Die Digitalisierung kann man dabei ganz einfach anfangen: Welche Prozesse und Daten haben wir und wie können wir die besser organisieren?
Ein DMS (Document Management System) kann dabei einDigitalisierungsverhinderer sein.
Denn das sorgt oft dafür, dass man die Prozesse aus dem Analogen einfach ins Digitale nachbaut.
Björn erzählt von der E-Akte, bei der weiterhin kein Standard etabliert ist, um die Akten zu verschicken, beispielsweise von der Kommune an das Land oder die Justiz.
Der bestehende Standard ist so gebaut, dass er auf alle E-Aktensysteme passt – dadurch ist er total unterspezifiziert.
Für Christof ist der Schlüssel zur Digitalisierung, dass man Ownership über die Daten hat.
Das ist vor allem wichtig, wenn man in Richtung AI gehen will.
Dafür gibt es in Baden-Württemberg die Plattform F13.
Diese fungiert als Middleware und legt beispielsweise Rollenkonzepte fest.
Damit will Björn anschlussfähiger für die Wirtschaft werden. Denn Länder müssen nicht alles selbst machen, es darf und soll Konkurrenz entstehen. Er hat kein Interesse an geschlossenen Systemen.
Durch Wirtschaftsförderung für Start-ups entsteht dann eine neue Innovationsdynamik. Baden-Württemberg hat hierfür auch die Vergabe-Vorschriften verändert.
„Billiger“ wäre es wohl gewesen, einen Hyperscaler einzukaufen, doch das hat keinen Nachhaltigkeitseffekt. Damit wäre diese Aktion langfristig nicht wirtschaftlicher gewesen. Und das Ziel ist es, ökonomisch und souverän zu arbeiten.
Außerdem sind wir oft schon genug abhängig von den großen Firmen,beispielsweise Microsoft oder Google.
Björn findet es auch gar nicht notwendig, immer in die Cloud zu gehen, gerade in der Verwaltung. Denn bei der Nutzung von On-Premise ist die Abhängigkeit von großen Dienstleistern nicht so hoch.
Und wenn wir mal an das Schadenspotential denken (Bürgerbüros könnten nicht mehr öffnen, die Rente könnte nicht ausbezahlt werden, Ampeln würden nicht funktionieren...), dann sind eigenständige Lösungen oft sinnvoller.
Zum Schluss gibt Christof den Tipp: Der harte Blick auf den ROI ist der Weg zum Mittelmaß. Manchmal muss man auch länger investieren, um erfolgreich zu sein.
00:00:00 Vorstellung Björn Beck
00:01:44 Regulierter Bereich
00:05:30 Digital first
00:08:33 Zeit sparen als Antrieb für Digitalisierung
00:10:40 Erstmal die Basis fit machen
00:15:24 DMS als Digitalisierungsverhinderer
00:19:36 Standards etablieren
00:23:25 F13 und Middleware
00:31:06 Innovationsdynamik
00:34:45 Wirtschaftlich und nachhaltig denken
00:38:25 Cloud vs. On-Premise
00:44:04 Souveränität
00:57:52 Zwei Fragen an Björn